Silberband 012 - Der Anti
Hauptstadt?
Rhodan versuchte sich zu erinnern. »Gucky, wir ändern die Richtung und vergrößern die Sprünge.
Fast nördlich jetzt – und dreitausend Kilometer.«
Wieder nichts. Sengu konnte auch keine Wellenimpulse mehr feststellen. Drei weitere Sprünge.
Und dann – die große Stadt.
Rhodan erkannte sie sofort an den Umrissen, die sich deutlich unter dem Schnee abzeichneten.
Einige der höchsten Gebäude ragten sogar noch über das weiße Leichentuch hinaus und gaben letzte
Gewißheit, daß dies die einstige Hauptstadt der Barkoniden gewesen war.
»Gucky?« fragte Rhodan.
»Nichts, absolut nichts. Hier lebt niemand mehr.«
Das schwarze Nichts spannte sich über der toten Stadt. Nicht nur dieser Planet, sondern das
ganze Universum schien plötzlich ohne Leben zu sein. Rhodan hatte das Gefühl, nur er, Sengu und
Gucky lebten.
»Sengu?«
»Nichts zu entdecken.«
Rhodan fühlte Verzweiflung. Vorerst weigerte er sich gegen die Alternative, mit Gucky ins
Innere des Planeten zu springen. Ein solches Vorgehen barg unvorstellbare Gefahren in sich.
Natürlich rematerialisierten sie nach einem Teleportersprung nur dort, wo keine andere Materie
vorhanden war. Aber angenommen, sie kamen an einer Stelle aus dem Hyperraum, wo eine nachgiebige
Materie war, wie Wasser oder glutflüssiges Magma?
»Etwa fünfhundert Kilometer westlich von hier ist der Haupteingang zur Unterwelt. Ich war
dort. Ein Tunnel führt von dort aus zur Steuerzentrale der Antriebswerke und sonstigen Anlagen.
Dort sollten auch die Luft und die Lebensmittel erzeugt werden.«
Gucky nahm die Hände der beiden Männer. »Versuchen wir es. Hier haben wir nichts mehr
verloren.«
Verloren – das war das Wort. Es schien Rhodan, als habe Gucky, ohne es zu wollen, den
Nagel auf den Kopf getroffen. Barkon schien verloren zu sein – und mit Barkon auch die
Barkoniden.
Der erste Sprung brachte sie wieder in eine Schneewüste ohne Erhebungen oder sonstige
hervorstehende Merkmale. Erst beim vierten Sprung zögerte Rhodan. Er betrachtete aufmerksam den
schneebedeckten Gipfel eines nahen Berges, der die wieder aufgetauchte Milchstraße zur Hälfte
verdeckte.
»Ich glaube, hier war es. Näher zum Berg hin, Gucky.«
Sie materialisierten am Fuß des einzelnen Berges.
»Der Tunnel führt schräg in den Berg hinein, bis hinab in fünftausend Meter Tiefe. Keine
Gedankenimpulse, Gucky?«
»Nichts. Alles tot.«
»Nein – nicht alles.«
Das war Sengu. Er blickte hinab auf den Boden und hielt beide Augen weit geöffnet. Es war, als
sähe er etwas.
»Impulse?«
»Kaum spürbar, aber vorhanden. Wie eben. Ersterbende Ausstrahlungen. Wenn es dort unten
Maschinen gibt, so müssen sie abgestellt worden sein. Aber es dauert lange, bis die letzten
atomaren Rückstände verstrahlt sind. Wir wissen, daß die Treibstofferzeugung bis zum letzten
Augenblick läuft. Werden die Aggregate abgeschaltet, muß der verbleibende Rest zerstrahlt
werden – oder er zerstrahlt von selbst. Diese Impulse sind es, die ich sehen kann.«
»Und – was siehst du sonst?«
»Ich bin noch nicht tief genug«, erinnerte der Mutant an die Tatsache, daß er nur schichtweise
in die Tiefe vordrang. »Erst bei zweitausend Meter. Aber ich sehe abgedunkelte Gänge und Tunnels.
Es brennt kein Licht, aber die Anlagen sind vorhanden. Ich kann nicht viel erkennen, denn trotz
meiner Fähigkeit bin ich auf reflektiertes Licht angewiesen.«
Rhodan erkannte die Schwierigkeiten sofort. Ohne Licht konnte selbst der Späher nichts sehen.
»Aber Sie könnten Gucky die notwendigen Sprungdaten geben?«
Sengu nickte, ohne sich ablenken zu lassen. »Das wird möglich sein. Aber …«
Er sprach den Satz nicht zu Ende.
»Achtung!« rief Gucky. »Jemand kommt!«
Rhodan fuhr herum und sah in die Richtung, in die Gucky mit ausgestrecktem Arm zeigte. Er sah
nichts. Nur die Schneewüste und den fernen Horizont. »Wo?«
Unsicher geworden ließ Gucky den Arm sinken. »Kann ich mich so täuschen? Dort war jemand. Er
dachte. Was er dachte, weiß ich nicht, aber er dachte.«
»Als Telepath kannst du Gedanken analysieren«, sagte Rhodan befremdet. »Diesmal nicht?«
»Es waren nur Impulse ohne Bedeutung, aber sie waren nicht freundlich. Das spürte ich, ohne
sie zu kennen. Da – jetzt wieder. Stärker und näher. Es kommt auf uns zu.«
Es kam äußerst selten vor, daß Gucky Angst hatte, und wenn, dann bestand größte Gefahr.
Sengu hatte es aufgegeben, mit seinen Blicken die
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