Silberband 014 - Rhodans Sohn
fünfzehn Minuten also. Bis dahin
wirst du den Gipfel gerade erreichen können. Viel Glück.«
Die Ärzte in Terrania jubelten.
Tagelang war ihnen entgangen, daß der Rüssel der Schlammbohrer noch eine zweite Drüse
enthielt, die Sekret lieferte. Jetzt wurde damit an lebenden, aber alternden Zellen und
Nervenbahnen der erste Laborversuch gemacht. Eine riesige, kristallweiße Schirmfläche
projizierte, was das Ara-Mikroskop in dreimillionenfacher Vergrößerung entschleierte.
Man hatte zur größten Überraschung in der zweiten Drüse das chemisch gleiche Sekret gefunden.
Und obwohl vom Augenblick der Entdeckung bis zu diesem Moment sehr wenig Zeit vergangen war, so
hatten die ersten Ergebnisse einwandfrei bewiesen, daß es der gleiche Wirkstoff war. Trotzdem
gaben sich die Wissenschaftler nicht zufrieden. Nun laborierten sie an Zellen und Nerven.
Der Wirkstoff aus der zweiten Drüse, das stellte sich schnell heraus, rief die
Verjüngungserscheinungen hervor. Aber auch er war nicht dafür verantwortlich, daß das
Liquitiv süchtig machte.
Mitten in der Vorführung rannte Professor Wild, der diese Untersuchung leitete, hinaus. So
schnell wie der mehr als sechzigjährige Mann laufen konnte, eilte er in den Sezierraum, wo man
die zweite Drüse im Rüssel des Schlammbohrers entdeckt hatte.
Dr. A. Hughens war Chef dieser Abteilung. Er hörte sich den erregten Professor an. Er konnte
sich seinem Verdacht nicht verschließen.
»Kommen Sie, Professor«, sagte Hughens plötzlich impulsiv und führte ihn zum
Mikroskopstand.
Professor Wild betrachtete unter 1,5-millionenfacher Vergrößerung die durch Zufall entdeckte
Drüse. Je länger er ihren Aufbau überprüfte, um so erregter wurde er. Den organischen Aufbau der
Drüse der Schlammbohrer hatte er im Gedächtnis.
»Hughens«, flüsterte er, ohne seine Kontrolle zu beenden, »diese Drüse kann nie und nimmer den
gleichen Wirkstoff produzieren. Da, sehen Sie sich das im oberen Drittel links selbst einmal
an.«
Er machte ihm Platz. Hughens starrte auf die unglaublich scharfe Wiedergabe. Er mußte
Professor Wild recht geben. Aber besagte die chemische Untersuchung nicht, daß es identische
Stoffe waren?
»Und ich glaube es nicht!« tobte Wild. »Wenn unsere Tests es millionenfach behaupten, dann
behaupte ich, daß die Tests nichts taugen! Es muß auch noch andere Untersuchungsmethoden
geben!«
Die dampfenden Urwälder lagen tief unten in den Ebenen der Insel. Hier oben wuchs
nichts mehr, obwohl es auch warm genug dazu gewesen wäre, aber es fehlte die Feuchtigkeit. Die
Felsen trugen keinen Zentimeter Humus und waren staubtrocken.
Der tatsächliche Höhenunterschied zum oberen Plateau betrug kaum fünfzig Meter. Die IRONDUKE
wirkte mit ihren achthundert Metern Durchmesser wie ein eigenes Gebirge. Sie war jetzt höher als
der eigentliche Gipfel.
Rhodan nahm sich Zeit.
Er schalt sich einen unverbesserlichen Optimisten, weil er glaubte, daß bei Thomas das Gute
nun endlich gesiegt habe. Seine Verantwortung der Erde gegenüber war größer als jene, die er für
seinen Sohn zu tragen hatte. Aber durfte er die Chance ausschlagen, sich mit ihm aussprechen zu
können? Tat er es denn wirklich nur für sich? Hatte er nicht vielmehr nun die Möglichkeit, der
Erde und damit dem Solaren Imperium eine große Sorge abzunehmen und einen gewaltigen Gegner
auszuschalten oder gar in einen Freund zu verwandeln?
Er schritt um einen Felsbrocken herum und sah das letzte Stück seines Weges vor sich liegen.
Gegen den Himmel zeichnete sich oben klar und deutlich Cardifs Gestalt ab. Er konnte das Gesicht
nicht erkennen, weil das Gegenlicht zu grell war. Aber es war Cardif, daran konnte kein Zweifel
bestehen.
Er nahm die letzten Meter, dann stand er vor seinem Sohn, der bis zur Mitte des Plateaus
zurückgegangen war.
Die beiden Männer sahen sich an und sagten nichts.
Rhodan erschrak. Im ersten Augenblick vermeinte er, vor einen Spiegel getreten zu sein. Der
Mann, der ihm da gegenüberstand, war sein genaues Ebenbild. Die gleichen hageren Züge, die
gleichen Haare, wenn auch eine Tönung heller. Auch die gleichen Augen, bis auf einen schwachen
gelben Schimmer.
Cardif betrachtete ebenfalls sein Gegenüber, wenn er es auch aus völlig anderen Motiven tat.
Mit Befriedigung stellte er fest, daß sein gefährlicher Plan bisher geglückt war. Rhodan, sein
Doppelgänger, war allein auf das Plateau gekommen. Die Nachbarschaft des großen Schiffes störte
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