Silberband 014 - Rhodans Sohn
Antis befreien mußte.
Für ihn war der Erste Administrator nicht sein Vater, sondern nur der Erzeuger und der Mann,
der seine, Cardifs, Mutter absichtlich in den Tod geschickt hatte.
Es war so. Davon war er überzeugt, und jede gegenteilige Behauptung war Lüge und sollte nur
Rhodan schützen.
Wie oft hatte er im übernommenen Wissen Rhodans gesucht. Nie hatte er einen einzigen
Gedankenimpuls über seine Mutter darin gefunden.
Es gab ihn nicht. Aber es gab für Thomas Cardif darauf eine Antwort: Perry Rhodan hatte sich
durch Suggestivbehandlung das Wissen nehmen lassen, der Mörder der arkonidischen Fürstin Thora zu
sein.
Die Zeit verging, und erst Nolinows Zuruf, daß sie sich Wanderer näherten, unterbrach Cardifs
Gedanken.
Er folgte Nolinow, der in der Kabinentür wartete, in die Zentrale.
Er war bereit, den gefährlichsten Schritt seines Lebens zu tun. Er mußte ihn tun, wenn er
nicht zeit seines Lebens in dem von den Antis verschleppten Perry Rhodan eine Bedrohung seiner
Position sehen wollte. Und er mußte dieses Wagnis unternehmen, um nicht länger Marionette der
Antis zu sein.
Im Moment, als er seine Kabine verließ, war alle Unruhe von ihm abgefallen. Er war überzeugt,
auch ES täuschen zu können.
Sie hatten den Atem angehalten, als sie mit der Space-Jet durch die Strukturlücke
im Energieschirm des Kunstplaneten Wanderer flogen. Mit letzter Kraft hatte sich auch Cardif
beherrscht, als plötzlich die Kunstwelt unter ihnen lag: Wanderer, die Welt der
Unsterblichkeit.
Es war kein Planet im üblichen Sinn. Es war eine sechshundert Kilometer durchmessende Scheibe,
über die sich in Form einer Glocke ein Energieschirm wölbte.
Auf der Scheibe gab es fast alles, was an Schönem im Weltall zu finden war. Brazo Alkher und
Stana Nolinow hätten sich am liebsten stundenlang dieses Wunder angesehen, aber dem stand der
Befehl Rhodans entgegen, jenen kreisrunden, zwei Kilometer großen Platz anzufliegen, an dessen
Rand sich ein schlanker, zerbrechlich wirkender Turm von mehr als eintausenddreihundert Meter
Höhe zum blauen Himmel emporreckte.
Das war die Welt, in der ES lebte – seit unbekannter Zeit.
Vorhin, bevor der Spalt sich in der Engergieglocke geöffnet hatte, hatte Thomas Cardif ES
gehört.
Eine Stimme war in Cardif laut geworden. ES hatte gefragt: Perry Rhodan, du willst zu
mir?
Und bevor Cardif sich von dem Eindruck dieses Anrufs hatte befreien können, war die Stimme
noch einmal aufgeklungen: »Ich freue mich, dich wiederzusehen. Du scheinst große Sehnsucht
nach mir zu haben. Bist du nicht erst vor wenigen Augenblicken zu Besuch gewesen?«
Das von Rhodan übernommene Wissen informierte Cardif, was das Kollektivwesen unter wenigen
Augenblicken verstand. ES dachte in anderen Zeiträumen. Was für die Menschen Jahrzehnte
darstellte, waren für ES Monate.
Und nun schwieg die Stimme immer noch, während die I-109 auf dem freien Platz mit dem
schlanken Turm sanft aufsetzte.
Cardif stand hinter den beiden jungen Offizieren und blickte über ihre Köpfe hinweg auf den
Rundsichtschirm. Rhodans Erkenntnisse ließen ihn verstehen, was er sah. Er wußte, wohin er zu
gehen hatte.
Die letzten Aggregate in der Space-Jet liefen aus.
»Warten Sie hier auf mich. Ich gehe allein«, hörten Alkher und Nolinow Rhodan sagen.
Sie sahen ihm nach, wie er den Gang entlangging und dann vor der Schleuse anhielt.
So, wie er gekleidet war, ohne jeglichen Schutz, verließ Cardif das Boot.
Wanderers Schwerkraft betrug 0,9 Gravos; fast irdische Verhältnisse herrschten hier.
Er überschritt den Platz und ging auf die Halle zu, als er plötzlich in seinem Unterbewußtsein
ein dröhnendes Gelächter vernahm.
Rhodan, die Langeweile hat mich fast aufgefressen. Freund, wie freue ich mich,
dich zu sehen. Schade, daß ich nicht stofflich bin, sonst würde ich dich an mein Herz drücken und
dir auf die Schulter klopfen.
Und abermals brandete dröhnendes Gelächter in Thomas Cardifs Unterbewußtsein auf, doch es
störte ihn nicht mehr. ES hatte ihn als Perry Rhodan begrüßt. ES hatte den Wunsch ausgedrückt,
ihm, Perry Rhodan, auf die Schulter zu klopfen.
Abrupt brach das wilde Gelächter ab. Tritt näher, Freund. Was hast du auf dem Herzen? Oho,
ich weiß ja genau, was du von mir willst. Einundzwanzig Zellaktivatoren mit selbstwählender
Individualeinstellung? Ich liefere sie dir. Du weißt doch, wie sehr ich es liebe, Zuschauer zu
sein, wenn das Spiel der Kräfte im Weltall über
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