Silberband 015 - Mechanica
beiden man betrat. Er erblickte unzählige Kontrollanlagen und Kabelstränge, die von einem
bequemen Sitz in die Wand führten. Vor dem Sessel lag auf einem kleinen Vorsprung eine Art Helm.
Carbá würde an seinem Platz wahrscheinlich das gleiche Bild vor sich sehen.
»Setzen Sie sich«, wurde Atlan aufgefordert.
Er ließ sich in den Sessel niedersinken. Seltsamerweise fühlte er sich nicht beunruhigt.
»Setzen Sie den Helm auf. Das V-förmige Zeichen muß direkt über der Stirn sitzen.«
Beinahe automatisch stülpte Atlan den Helm über seinen Kopf. Er stellte sich vor, daß Carbá
einige Meter neben ihm jetzt das gleiche tat, wahrscheinlich mit vor Erregung zitternden
Händen.
Noch einmal ertönte die Stimme des Regenten. »In wenigen Minuten wird die Anlage
eingeschaltet. Sie werden dann beide in einer fiktiven Welt sein und Ihre richtige Umwelt
vergessen. Alles, was Sie erleben werden, ist eine Projektion, die mit Hilfe des Psycho-Helmes in
Ihren Gehirnen erzeugt wird. Während des Duells werden Sie beide jedoch nicht wissen, daß Sie
sich auf einer Fiktivwelt befinden. Für Sie wird alles wahrhaftig sein, und Sie werden
dementsprechend handeln. Nach Beendigung des Duells werden an Sie beide noch einige klärende
Fragen gerichtet werden.«
Atlan begann unter dem schweren Helm zu schwitzen. Er versuchte, sich auf das vorzubereiten,
was ihn erwartete. Gleichzeitig sagte er sich, daß es wenig sinnvoll war, für etwas
Vorbereitungen zu treffen, das er nicht kannte.
»Haben Sie noch Fragen?« wollte der Robot wissen.
»Nein«, erwiderten Atlan und Carbá wie aus einem Mund.
Atlan entspannte sich und lehnte sich in dem Sessel zurück. Was ihm jetzt bevorstand, würde
wie ein Traum sein. Während der Zeit jedoch, da er die Vision erlebte, würde alles real sein.
In diesem Augenblick hörte er ein leichtes Summen, und er hatte das Gefühl, als würde ihm
jemand mit einer Nadel in den Nacken stechen. Er wollte etwas sagen, aber seine Zunge verweigerte
ihm den Dienst. Eine bleierne Schwere ergriff seine Glieder, und seine Augen verdrehten sich. Das
Bild des Kontrollbretts wurde verschwommen, er hatte das Gefühl, in einem dichten Ballen Watte zu
liegen. Irgendwo in seinem Unterbewußtsein drängten sich noch Gedanken, aber sie mußten dem Bild
weichen, das immer weiter an die Oberfläche seines Gehirns drang.
Sein Kopf sank zur Seite, und sein Körper wurde schlaff. Dann war nur noch das sanfte Summen
der Maschinen zu hören, das sich in den endlosen unterirdischen Gängen verlor.
Das Psycho-Duell hatte begonnen.
26.
Der heiße Steppenwind schien ihn zusammen mit den trockenen Holunderbüschen über
die flachen Hügel in die Stadt geweht zu haben, einen großen, beinahe hageren Mann, dessen Augen
in dem eingefallenen Gesicht leuchteten wie glühende Kohlen. Er kam mit weitausholenden Schritten
den Abhang hinter Dolantys Haus herunter und blickte über die Stadt, als wollte er sie und ihre
Bewohner mit einem einzigen Blick abschätzen.
Dolantys ältester Junge, der in diesem Augenblick den Windfang für das Rübenbeet ausgebessert
hatte, sah ihn zuerst, und er richtete sich vor Überraschung auf, denn dort, von wo der Fremde
herkam, so hatte ihm sein Vater berichtet, gab es keine lebenden Wesen mehr.
Der große Mann kam bis an den Windfang und schaute schweigend über ihn hinweg auf Sowan
Dolanty.
Sowan erhob sich jetzt vollständig, er spürte den Sand an sich herabrieseln, den Sand, gegen
den die Stadt in einem ewigen Kampf lag und vor dem sie sich ständig auf dem Rückzug befand.
»Hallo«, sagte der Fremde. Seine Stimme hatte einen eigenartigen Klang, als käme sie irgendwo
aus der Tiefe seines abgemagerten Körpers.
»Wo kommen Sie her?« stammelte Sowan, der seine Neugierde nicht länger bezähmen konnte. Er
hörte, wie sein Vater hinter ihm in den Garten kam, spürte das mißtrauische Verhalten in der
Bewegung des alten Dolanty und vernahm dann die grollende Stimme, die sich über den Wind erhob:
»Wer sind Sie?«
Sowans Kopf machte zwei schnelle Bewegungen, er blickte zu seinem Vater, einem untersetzten
Mann in einer Lederjacke, und dann zu dem hageren Fremden, der still hinter dem Windfang stand
und sie beobachtete.
»Mein Name ist Carbá«, sagte der Fremde. Er wandte sich um und sah zurück zu den Hügeln, und
in seine Züge trat ein unbestimmter Ausdruck von Trauer. »Dies ist die erste Stadt auf meinem
Weg«, fügte er hinzu.
»Es ist die letzte
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