Silberband 019 - Das Zweite Imperium
das war nicht der Sinn des Unternehmens. Ein Brückenkopf des
Vereinigten Imperiums sollte auf einer gegnerischen Welt errichtet werden, ohne daß die Blues
etwas davon bemerkten.
Und das, schien Torav, war schlechthin die härteste Aufgabe, die man ihm je gestellt
hatte.
Er wußte inzwischen ziemlich genau, welche Bedeutung die Regierung des Imperiums diesem
Vorstoß beimaß. Die Mannschaft der KOPENHAGEN war kurz vor dem Start um zwei Mitglieder vermehrt
worden. Diese beiden Männer waren Tako Kakuta und Fellmer Lloyd, zwei aus dem Korps der Mutanten.
Torav Drohner war der unerwartete Zuwachs keineswegs ungeteilt sympathisch gewesen. Auf der einen
Seite war er erfreut über die unschätzbare Hilfe, die ihm da zuteil wurde, und über das
Vertrauen, das man in ihn setzte, als man ihm für die Dauer des Unternehmens die Befehlsgewalt
über zwei Mitglieder des berühmten Mutantenkorps gab. Auf der anderen Seite fühlte er starke
Beklemmung, wenn er einem der Mutanten eine Anweisung geben mußte.
Im Augenblick allerdings hatte er keine Zeit, psychologischen Erwägungen nachzuhängen. Auf dem
Sessel rechts von ihm saß sein Ersatzmann als Pilot, Captain Erin Loschmidt, links von ihm
starrte der Kopilot wie gebannt auf den Bildschirm, und wiederum links von diesem saß der
Kopilot-Ersatz – und sie alle warteten voller Nervosität darauf, daß sich etwas ereignete,
weil sie wußten, daß sich irgendwann in diesen Sekunden etwas ereignen mußte.
Aus dem Gewimmel der Sterne, die in ihrer durch keine Atmosphäre getrübten Dichte fast wie
eine solide Wand aus Licht wirkten, hatte sich in den vergangenen Augenblicken eine Sonne in den
Vordergrund geschoben. Der Astronom berechnete den Abstand des Schiffes von dieser Sonne zu
fünfzig Lichtstunden. Die Sonne war rot, ein Stern der M-Klasse, und es gab kaum einen Zweifel,
daß sie mit Pahl, dem Zentralgestirn der Blueswelt Apas, identisch war. Die KOPENHAGEN stieß im
Normalflug auf sie zu. Die Relativgeschwindigkeit des Schiffes betrug knapp fünfzig Prozent der
Lichtgeschwindigkeit. Die KOPENHAGEN bewegte sich im Inert-Flug. Sämtliche Antriebsaggregate
waren auf Ruhestellung, um den Blues keine Möglichkeit zu geben, die Energieemissionen zu
orten.
Nunmehr begann die nächste Phase der Annäherung an das System. Die KOPENHAGEN konnte trotz
Ortungsschutz nicht unbemerkt in das Pahl-System eindringen. Die Ortungsgeräte der Blues würden
sie unweigerlich entdecken. Deshalb mußten die Blues abgelenkt werden. Niemand wußte, ob dies
tatsächlich gelingen würde, dennoch mußte man es versuchen. Zu diesem Zweck sollte eine
Transformbombe im Raum zur Explosion gebracht werden. Die Energieentfaltung dieser Bombe würde,
so hoffte man, die Aufmerksamkeit der Bluesschiffe auf sich ziehen und die Eigenstrahlung der
Kalupkonverter der KOPENHAGEN überlagern, wenn diese wieder aktiviert würden, um das Schiff in
das System hineinzubringen und auf einem geeigneten Planeten zu landen.
Den Zielort der Transformbombe würde man so wählen, daß keines der Bluesschiffe dabei zu
Schaden kam, um nicht den Eindruck eines feindlichen Angriffs zu erwecken.
Alle Männer in der Zentrale des terranischen Schiffes beobachteten gespannt Major Drohner, der
den Befehl zum Abschuß der Bombe geben würde.
Torav Drohner rief den Feuerleitstand und befahl: »Transformgeschütz feuerbereit!«
Nachdem die Bestätigung eingetroffen war, sagte er: »Feuern Sie auf Radiusvektor sechs mal
zehn hoch zwölf – Phi und Theta beliebig, nur weit weg von unserem Schiff. Feuer in zehn
Sekunden.«
»Verstanden, Sir!« kam die Antwort des Feuerleitoffiziers.
Der Bordcomputer begann mit dem Countdown, dann war es soweit. Ein Ruck schien durch das
Schiff zu gehen, aber in Wirklichkeit war es nur der dumpfe Abschuß der Transformkanone.
Jemand seufzte. Torav konzentrierte seinen Blick auf den Schirm.
Vom Pult des Ortungsoffiziers kam ein helles Summen.
»Energieortung«, sagte Pal Horvath gepreßt. »Die Bombe ist explodiert.«
Toravs Hände glitten über die Schaltungen des Lineartriebwerks. Nur einen Atemzug lang gab er
der wilden, ungestümen Freude nach, mit der das Gelingen des Manövers ihn erfüllte. Dann besann
er sich auf seine Pflicht. Das Hypertriebwerk begann zu arbeiten. Pfeifende Warntöne erfüllten
das Schiff. Die KOPENHAGEN beschleunigte. Ungeheure Energien verarbeitete das Triebwerk, um den
Schiffskörper mit einer Blase des Kalupschen Halbraums zu
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