Silberband 021 - Strasse nach Andromeda
hatte inzwischen an Wucht zugenommen. Wie eine Wand aus
fester Materie lagen Staub- und Sandwolken rings um das Schiff herum. Conrad richtete sich nach
Orterangaben, die er von der CREST erhielt. Selbst das kräftige, orangefarbene Leuchten des
Schirmfeldes war hinter der Finsternis des Orkans nicht mehr zu erkennen.
Dann erreichte er den Rand des CREST-Schutzschirms und wartete, bis die Shifts sich hinter ihm
versammelt hatten. Das Schiff war bislang nicht wieder angegriffen worden, aber Conrad war
sicher, daß die Energieblitze wieder aufleuchten würden, sobald sich die Fahrzeuge ins Freie
trauten. Er bat Cart Rudo, eine möglichst weite Strukturlücke zu schalten.
Eine Sekunde später flammten die Umrisse der Öffnung vor ihm auf. Mit einem wütenden Druck auf
den Fahrthebel trieb er den Wagen hinaus. Befriedigt sah er, daß die Shifts ihm in dichter
Kolonne folgten. Dann packten ihn der Sturm und die Finsternis.
Er wußte nur, in welcher Richtung die Station lag. Er wußte, daß die Entfernung vom
Schutzschirm der CREST II bis zum Schirmfeld der Station jetzt noch rund einen Kilometer betrug.
Das war alles. Er sah keinen der Shifts mehr, aber auf dem kleinen Orterschirm tanzten eine Menge
grüner Pünktchen. Das mußten sie sein.
Unvermittelt zerriß neben ihm die Finsternis in einem schmerzend hellen, weißglühenden Blitz.
Er hatte den Empfänger noch eingeschaltet. Über das prasselnde Störgeräusch der Entladung hinweg
hörte er entsetzte Schreie. Kurz danach war Ruhe. Dann meldete Bert Hefrichs harte Stimme:
»S-achtzehn ist ausgefallen. Der Rest … weiter!«
Conrad biß die Zähne aufeinander.
Ein zweiter Blitz leuchtete auf. Für Bruchteile von Sekunden zog sich ein Kanal glühenden,
verdampfenden Staubs durch die Finsternis. Conrad drückte den Shift weiter nach unten. Dicht über
dem Erdboden ließ er ihn auf das Schirmfeld der fremden Station zugleiten. Das Manövrieren
erforderte seine ganze Aufmerksamkeit. Manchmal drückte der Orkan mit aller Wucht zu und drohte,
das Fahrzeug auf dem Boden zu zerschmettern. Dann riß Conrad das Steuer mit aller Gewalt nach
hinten und brachte den Wagen aus der Gefahrenzone.
Unaufhörlich leuchteten jetzt ringsum die Blitze. Der Empfänger war voll von Schreien und
wütend gebrüllten Befehlen. Drei Shifts waren mitsamt ihrer Besatzung verloren. Neunzehn Mann
waren tot. Und noch immer konnte Conrad den orangefarbenen Schutzschirm nicht sehen.
Eine neue Entladung streifte das Schirmfeld des Shifts und brachte es zu buntem Flackern.
Conrad riß das Fahrzeug zur Seite. Ließ es ein paar Meter weit in die Höhe schießen und drückte
es wieder nach unten. Die Generatoren waren noch intakt. Er hörte es am Geräusch. Er hatte nur
einen Streifschuß abbekommen.
Aber vor ihm in der Finsternis glomm ein Licht. Zunächst sah es aus wie der Funke eines halb
erloschenen Feuers. Aber während er darauf zuglitt, wurde es heller, und schließlich strahlte es
mit der ganzen Kraft weißglühenden Metalls. Conrad erschrak. Was er sah, waren die Überreste
eines Shifts, den eine der energetischen Entladungen getroffen hatte. Er war halb schon dabei,
Bert Hefrich den neuerlichen Verlust bekanntzugeben, da sah er die schwerfällige, unbeholfene
Gestalt, die dort unten durch den Sturm kroch und mit aller Kraft versuchte, so rasch wie möglich
von dem schmelzenden Wrack fortzukommen.
Conrad stieß hinunter. Er traute seinen Augen nicht. Der Mann trug einen Schutzanzug, der
weiter nichts als Hitze und Staub von ihm abhielt. Er war der mörderischen Gravitation und der
reißenden Wucht des Sturms voll ausgesetzt. Und trotzdem bewegte er sich noch. Trotzdem schleppte
er einen korbähnlichen Behälter hinter sich her.
Conrad ging aufs Ganze. Er trieb den Shift bis dicht über den Boden. Er steuerte ihn so, daß
er mit dem Kriechenden auf gleiche Höhe kam. Der Mann schien ihn nicht zu bemerken, doch dann
endlich sah er ihn und verstand, was er zu tun hatte. Er zog den Korb dicht zu sich heran und
krümmte sich zusammen. Conrad wagte es, seinen Schutzschirm für den Bruchteil einer Sekunde
auszuschalten. Der Flugwagen machte einen Satz zur Seite, und als das Feld wieder entstand, da
befand sich der Mann mit dem Korb innerhalb seines Einflußbereiches.
Conrad fuhr das Schleusenschott auf. Mit einer Kraft, die Bewunderung abverlangte, stemmte
sich der Mann vom Boden, hievte zunächst den Korb in die Schleuse und stieg dann selbst
hinterdrein.
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