Silberband 021 - Strasse nach Andromeda
Während ringsum die Blitze der Energiegeschosse leuchteten und der Shift unter der
Wucht des Orkans hin- und herschaukelte, kletterte er in den winzigen Schleusenraum und wartete,
bis das Schott sich hinter ihm schloß. Dann raffte er sich auf und schob sich in aller Hast durch
das Innenluk, das Conrad inzwischen geöffnet hatte. Conrad hatte keine Zeit, auch nur den Kopf
nach ihm zu drehen. Der Shift war verloren, wenn er das Steuer nur eine Sekunde lang außer acht
ließ.
Keuchend schwang sich der Mann neben ihn auf den Sitz. Seinen Korb schob er vorsichtig in die
Ecke. Eine Weile beobachtete er schweigend, wie Conrad gegen den Sturm ankämpfte, und Conrad
wußte immer noch nicht, wen er neben sich sitzen hatte. Dann schien ihm das Schweigen ungemütlich
zu werden. Er räusperte sich zunächst, und dann hörte Conrad eine wohlvertraute Stimme:
»Danke, Sir. Ich muß verrückt gewesen sein, den Helden spielen zu wollen und in diesem Chaos
vorauszufliegen, als die Energiekugeln wieder angriffen.«
Conrad wandte trotz seines Vorsatzes den Kopf. Neben ihm saß Herb Bryan, sein Sergeant.
»Das war S-neununddreißig da unten«, erklärte Bryan. »Nur ein leichter Treffer,
aber im Nu glühte die Kiste wie ein Hochofen. Ich wäre noch drinnen, wenn ich nicht dicht hinter
dem Schott gehockt hätte.«
Conrad hörte ihm zu, ohne ihn anzusehen. Der Orkan tobte mit unverminderter Wucht, und die
Blitze zuckten in unaufhörlicher Folge.
»Was ist in dem Korb?« fragte er.
»Detonatoren«, antwortete Bryan. »Die ganze Ladung.«
Conrad nahm das Mikrophon von der Gabel und meldete Hefrich den Verlust des Fahrzeugs S-39.
Ein paar Sekunden später rief Hefrich zurück:
»S-fünf an alle! Kehren Sie sofort um. Es hat keinen Zweck mehr, wir haben vierundzwanzig Mann
verloren und kommen kaum einen Schritt vorwärts. Sie erhalten Peilsignale vom Schiff. Ich
wiederhole: Kehren Sie sofort um!«
Conrad kniff die Lippen zusammen. Vierundzwanzig Mann! Hefrich hatte recht. Der Einsatz wurde
zu teuer. Wenn sie abwarteten, bis der Sturm vorüber war, kamen sie leichter an die Station
heran. Allerdings mußte der Sturm vorüber sein, bevor an Bord alle verdurstet waren.
Vorsichtig begann er, den Shift zu wenden. Er hatte das erste Viertel der Drehung noch nicht
geschafft, da schrie Herb Bryan neben ihm auf.
»Die Wand …! Dort, vor uns!«
Conrad sah durch die Bugscheibe schräg nach vorn. Fast kam er zu spät. Nur den Bruchteil einer
Sekunde lang sah er den orangefarbenen Schimmer durch eine Stelle, an der die Mauer aus Sand und
Staub für einen kurzen Augenblick aufgerissen war. Und er sah noch mehr. Dort vorne klaffte eine
etwa torgroße Strukturlücke in dem fremdartigen Schirmfeld, die breit genug für seinen Shift war.
Sofort riß er das Fahrzeug wieder herum. Mit zitternden Fingern griff er nach dem Mikrophon und
schrie hinein:
»Nosinsky an S-fünf! Der Schutzschirm liegt direkt vor mir! Ich fahre weiter!«
Bert Hefrich meldete sich nicht mehr. Conrad wußte nicht, ob er seinen Spruch überhaupt
empfangen hatte. Das Leuchten war jetzt nicht mehr zu sehen, der Orkan hatte es wieder
verschluckt. Aber Conrad wußte, in welche Richtung er sich zu halten hatte.
»Mach die Augen weit auf, Herb!« wies er seinen Nebenmann an, und Herb Bryan lehnte sich weit
nach vorn, als könne er so besser sehen.
Das energetische Feuer der wieder überall auftauchenden Kugelgebilde schien jetzt dichter zu
werden. Es sah aus, als hätte der Gegner einen Sperriegel dicht vor sein eigenes Schirmfeld
gelegt. Die Finsternis, bisher nur von einzelnen Entladungen durchbrochen, wurde zum grellen,
feuerspeienden Inferno.
Conrad drückte den Shift ganz nach unten, bis er fast auf dem Boden schleifte, dann riß er den
Fahrthebel bis zum Anschlag zurück. Ruckend und schlingernd gewann das Fahrzeug an Tempo.
»Da ist es wieder!« brüllte Bryan voller Begeisterung.
In den kurzen Pausen zwischen den einzelnen Salven war jetzt die orangefarbene Wand des Feldes
deutlich zu sehen. Mit jeder Sekunde wurde sie heller, und mit jeder Sekunde wuchs Conrads
ungläubige Verwunderung, warum sie nicht schon längst eine der Energieentladungen getroffen
hatte.
Er erinnerte sich später nicht mehr daran, wie er es eigentlich geschafft hatte, dieses
Inferno hinter sich zu lassen und durch die torgroße Strukturlücke ins Innere der fremden
Kraftstation einzudringen. Plötzlich waren der Staub und der Sand ringsum nur noch so
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