Silberband 024 - Die Para-Sprinter
interessiert. Er fixierte den Arzt aufmerksam.
»Sitzen Sie schon lange hier?« erkundigte er sich.
Nardini nickte. »Eine Stunde«, erwiderte er.
Der Duplo verbarg seine aufsteigende Unruhe.
»Warum?« fragte er direkt.
Er hätte sich im gleichen Augenblick auf die Lippen beißen mögen. Diese Frage war eine
ausgesprochene Torheit. Dr. Nardini schien sie jedoch nicht als ungewöhnlich zu empfinden.
»Ich habe Sie beobachtet«, sagte er.
»Und was haben Sie herausgefunden?« fragte Woolvers Duplikat tonlos.
»Sie sind ein sehr müder und ein sehr kranker Mann«, antwortete Nardini. »Wir werden Ihnen
jedoch helfen. Sie machen einen widerstandsfähigen Eindruck.«
»Habe ich im Schlaf gesprochen?« wollte der Duplo wissen.
Nardini stand auf und lachte breit.
»Für wen halten Sie mich? Für einen Spion?«
»Habe ich gesprochen?« beharrte der Duplo.
»Ja«, erwiderte der Mediziner.
Der Duplo fühlte, daß sich sein Herzschlag beschleunigte. Der kleine Arzt mit den ehrlichen
Augen machte einen intelligenten Eindruck. Der Duplo wußte, daß er sich auf ein gefährliches
Gebiet begab. Er mußte jedoch Gewißheit haben.
»Worüber habe ich gesprochen?«
Nardini betrachtete ihn abschätzend. »Über einen Schatten«, erwiderte er zögernd.
Der Duplo richtete sich ruckartig auf.
»Und was«, fragte er nervös, »habe ich gesagt?«
»Nichts Besonderes. Irgend etwas scheint Sie zu bedrücken. Aber das ist nur natürlich. Diese
Alpträume werden nachlassen, sobald Sie gesund sind.«
Der Duplo atmete unmerklich auf. Niemand hatte Verdacht geschöpft. Der Arzt hielt alles, was
Woolver im Schlaf von sich gegeben hatte, für die psychische Auswirkung seines schockierenden
Erlebnisses. Das würde auch in Zukunft so sein. Er war sicherer, als er erwartet hatte. Die
Terraner hegten nicht die geringsten Zweifel, daß er Major Tronar Woolver war.
»Morgen beginnen wir mit der Behandlung«, verkündete Nardini. »Wir werden Sie in leichte
Narkose versetzen.«
»Ich weiß«, erklärte Tronar.
Nardini trat zum Fenster, zog die Jalousie hoch und blickte hinaus. Sein scharfgeschnittenes
Profil kam Tronar Woolver bekannt vor, aber er hätte nicht zu sagen vermocht, warum.
»Wundern Sie sich nicht über Dr. Latham«, warnte Nardini. »Er ist nicht gerade rücksichtsvoll
zu seinen Patienten.«
»Das stimmt«, bestätigte Woolver.
»Er ist ein knurriger alter Bär, aber ein Könner. Er wird Ihnen helfen.«
Nardini wandte sich vom Fenster ab. Sein Stahlfaseranzug raschelte, als er das Zimmer mit
schnellen Schritten durchquerte und erst an der Tür wieder stehenblieb.
»Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, setzen Sie sich mit mir in Verbindung«, sagte er.
»Danke, Doc«, sagte der Duplo.
Nardini verließ den Raum, ging über den breiten Gang und betrat einen anderen Raum. Dort waren
Perry Rhodan, Atlan, Allan D. Mercant und Dr. Latham versammelt.
Nardini setzte sich auf den einzigen Stuhl, der noch frei war.
»Ich bin fast überzeugt, daß er sich jetzt vollkommen sicher fühlt«, sagte er. Sein Blick
blieb an Dr. Latham hängen. »Er mag Sie nicht.«
»Na, wenn schon!« brummte Latham ärgerlich.
»Ich halte das für ein gutes Zeichen«, meinte Nardini. »Es zeigt uns, daß er sich um
Kleinigkeiten kümmert. Seine Angst, daß wir ihn durchschauen können, ist also nur noch
geringfügig. Er fragte mich, ob er im Schlaf gesprochen hätte. Ich sagte ihm die Wahrheit, obwohl
sie ziemlich verfänglich war. Dann gab ich ihm eine plausible Erklärung. Das hat ihn endgültig
überzeugt.«
»Sie denken also, daß wir es wagen können?« fragte Rhodan.
»Ja«, sagte Nardini. »Wir können ihn zunächst in eine leichte Narkose versetzen. Darauf ist er
vorbereitet. Er wird sich nicht dagegen wehren – noch nicht einmal unbewußt.«
»Denken Sie an seine Vernichtungsschaltung«, mahnte Atlan. »Bei der geringsten Gefahr einer
Entdeckung wird er sich auflösen.«
»Sobald er eingeschlafen ist, werden wir ihn in Tiefnarkose versetzen«, mischte sich Dr.
Latham ein. »Es ist undenkbar, daß er dann noch zu irgendeiner geistigen Reaktion fähig ist,
egal, wie tief sie in seinem Unterbewußtsein verankert ist. Deshalb glaube ich nicht, daß es zu
einer Selbstvernichtung des Duplo kommt.«
»Wir müssen es riskieren«, sagte Rhodan. »Anders kommen wir nicht an seinen Spezialsender
heran, den Rakal Woolver unbedingt braucht, wenn er die Rolle seines falschen Bruders übernehmen
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