Silberband 028 - Lemuria
verursachte, das jetzt, da er das Schirmfeld
ausgeschaltet hatte, von den anderen gehört werden konnte.
Glücklicherweise endete der Gang schon nach wenigen Metern. Der Strom der Offiziere ergoß sich
durch eine breite Tür in einen Versammlungsraum. In zwei parallelen Reihen, mit einem Gang in der
Mitte, waren Dutzende von zehn- oder zwölfsitzigen Bänken aufgestellt. Vor den Bänken, an der dem
Eingang gegenüberliegenden Wand, blieb ein schmaler Streifen freien Raums, auf dem eine Art
Rednerpult aufgestellt war. Hinter dem Pult, an der Wand, spannte sich eine riesige weiße
Projektionsfläche.
Tronar hielt sich in der Nähe der Tür. Mißtrauisch musterte er Boden, Decke und Wände des
großen Raums, aber nirgendwo war etwas Verdächtiges zu bemerken. Die Beleuchtung erfolgte durch
quadratische Fluoreszenzplatten, die in einem unregelmäßigen Muster in die Decke eingearbeitet
waren. Wände und Boden bestanden aus glattem Plastikguß und waren fugenlos.
Die Tür schloß sich mit einem rollenden Geräusch, das Tronar aufschrecken ließ. Er fragte
sich, was er getan hätte, wenn er dem letzten Offizier nicht so dicht auf den Fersen geblieben
wäre und die Tür sich vor ihm geschlossen hätte.
Dann nahm etwas anderes seine Aufmerksamkeit in Anspruch. In der Hinterwand der Halle, dicht
neben dem Rednerpult, entstand eine dunkle Öffnung. Aus der Öffnung hervor erschien eine
hochgewachsene Gestalt, die Tronar nur zu gut in Erinnerung hatte.
Frasbur, der Hohe Tamrat von Lemur – und Zeitagent der Meister der Insel! Admiral Hakhat,
der in der vordersten Bankreihe Platz gefunden hatte, erhob sich und erstattete Meldung. Frasbur
dankte mit einem gemessenen Nicken. Er postierte sich dann hinter das Pult und überflog die
Versammlung mit einem nachdenklichen Blick, zu dem er sich nach Tronars Meinung auffällig viel
Zeit ließ.
Schließlich begann er zu sprechen.
»Ich habe die Teilnahme an dieser Zusammenkunft auf die höheren Offiziersränge beschränkt,
weil das, was ich Ihnen mitzuteilen habe, von grundlegender Bedeutung ist und mehr unsere
Grundhaltung dem Krieg gegenüber als den Aufgaben- und Pflichtenkreis des einzelnen beeinflußt.
Jüngere Offiziere wären hier fehl am Platze, weil sie selten dazu in der Lage sind, über den
Horizont ihres eigenen Verantwortungsbereichs hinauszuschauen.«
Nach einer winzigen Pause fuhr er fort:
»Sosehr es uns auch widerstrebt, eine solche Erkenntnis hinzunehmen, sosehr sind wir auf der
anderen Seite verpflichtet, den Tatsachen so, wie sie sind, ins Auge zu schauen und in jeder
Situation das zu tun, was für die Gemeinschaft des lemurischen Volkes am vorteilhaftesten ist.
Eine gültige Entscheidung darüber, was von Vorteil ist, kann nur getroffen werden, wenn der
Entscheidende sich über die wirkliche Lage im klaren ist. Diese Klarheit möchte ich Ihnen heute
verschaffen.
Meine Herren – der Krieg gegen die Haluter kann von uns nicht mehr gewonnen werden!«
Tronar, der bislang seine Aufmerksamkeit zwischen Frasbur und seiner restlichen Umgebung
geteilt hatte, war plötzlich hellwach. Frasbur hatte die Offiziere zu sich gerufen, um über neue
Entwicklungen in der Strategie gegen die Haluter zu sprechen. Wenigstens hieß es so auf der
Bekanntmachungstafel.
Worüber er in Wirklichkeit sprach, war alles andere als neu. Jedermann in der lemurischen
Flotte, vom Admiral bis herab zum einfachen Soldaten, wußte seit langem, daß der Krieg verloren
war – daß die Flotte sich nur noch damit beschäftigte, den Gegner durch Rückzugsgefechte
hinzuhalten, damit so viele Lemurer wie möglich vor der alles vernichtenden Armada der Haluter
gerettet und über den Sechssonnentransmitter in die Sicherheit der benachbarten Galaxis gebracht
werden konnten.
Tronar sah, daß die Offiziere einander verwunderte Blicke zuwarfen. Sie waren von Frasburs
Eröffnung ebenso überrascht wie er. Was hatte Frasbur im Sinn? Konnte er es sich erlauben,
hundert hohe Offiziere für geraume Zeit von ihren Posten abzuziehen, nur um ihnen Dinge zu sagen,
die sie schon längst wußten?
Etwas in Tronars Bewußtsein schlug Alarm. Frasbur hatte mittlerweile fortgefahren zu reden,
aber Tronar hörte nicht hin. Der wahre Sachverhalt lag ihm plötzlich klar vor Augen. Rakal hatte
recht gehabt.
Die Versammlung war eine Falle. Frasbur hatte einen deutlich sichtbaren Hinweis anbringen
lassen, weil er wußte, daß die beiden Brüder nach ihm suchten. Das war der
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