Silberband 028 - Lemuria
von dem emotionellen Kontakt erzählt, der ihn mit seinem Bruder verband.
Korpel hatte die Gefahr sofort bemerkt. Wenn er das vereinbarte Minikomsignal gab, würde Rakal
nicht darauf reagieren, weil er Tronars Gemütszustand kannte. Tronars Empfindungen mußten also
geändert werden. Sie mußten darauf hindeuten, daß Tronar sich nicht mehr in Gefahr befand. Nur
dann würde Rakal dem Signal folgen.
Wie leicht war es dem Zwerg gefallen, die Gefahr zu beseitigen. Er hatte nur an einem Knopf zu
drehen brauchen, und schon befand sich der Gefangene im gewünschten Gemütszustand.
Eine Sekunde lang wurde der Zorn in Tronar so stark, daß er den euphorischen Rausch
hinwegzuschwemmen drohte. Dann gewann die Maschine die Oberhand. Tronar wußte, daß er seinen
Bruder verraten und ausgeliefert hatte; aber er brachte es nicht fertig, darüber Unruhe zu
empfinden.
Rakal reagierte sofort, als das Signal eintraf. Sein Gerät war auf dieselbe
Frequenz justiert wie jenes von Tronar. Aufgrund der einfallenden Intensität der Signale
ermittelte er die Entfernung. Er wollte die Sendestärke seines Impulses, dem er sich
anzuvertrauen gedachte, so bemessen, daß er in unmittelbarer Nähe des Zielpunktes
rematerialisierte.
Ihm lag nichts daran, über das Ziel hinauszuschießen und etwa auf der anderen Seite von Kahalo
von der Antenne irgendeiner kleinen Funkstation aufgefangen zu werden. Er mußte sichergehen, daß
seine Reise an einem Punkt endete, der von Tronars augenblicklichem Aufenthaltsort nicht weit
entfernt war.
Ein paar Sekunden lang zauderte er, ließ seine Gedanken spielen und versuchte sich auszumalen,
was geschehen würde, wenn der Sprung nicht glückte.
Schließlich scheuchte er alle überflüssigen Gedanken beiseite und zwang sich zur
Konzentration. Er drückte den Auslöseknopf des kleinen Senders und entmaterialisierte noch in
derselben Sekunde.
Das Gefühl des Wohlbehagens erlosch. Mit ungedämpfter Wucht brach eine Woge des
Schuldgefühls über Tronar herein. Plötzlich empfand er wieder den alten Haß gegen Korpel, den
Zwerg, und war wie zuvor davon überzeugt, daß Frasbur beseitigt werden müsse.
Er war verwirrt, aber er kam nicht dazu, sich über den merkwürdigen Umschwung seiner
Empfindungen Gedanken zu machen. Aus dem Halbdunkel hinter den Geräten hervor stürmte Korpel, und
er war maßlos wütend. Mit einem irren Schrei postierte er sich vor eine der Maschinen und begann
an den Schalthebeln zu hantieren.
»Du wirst mich nicht übertölpeln, Terraner!« schrie er mit gellender Fistelstimme. »Ich gebe
dir zwei Minuten – und du wirst aus dem Grunde deiner Seele bereuen, daß du mich hinters
Licht geführt hast!«
Er war von Sinnen. Während er an den Hebeln riß, fluteten Wellen brennenden Schmerzes durch
Tronars gepeinigten Körper. Er bäumte sich auf und schrie, aber die bunten Kabel schienen
plötzlich zu stählernen Fesseln geworden zu sein, die ihn an die Liege banden. Der Schmerz jagte
ihm das Blut mit trommelnden Schlägen durch die Adern, und im Schädel dröhnte ihm der Widerhall
wie Hämmer auf einer Blechtrommel.
In den Lärm mischte sich Korpels widerliches Geschrei. Tronar fragte sich später, wie er die
Tortur ausgehalten hatte. Er fand die Antwort nie. Auf jeden Fall war er noch voll bei
Bewußtsein, als der Schmerz plötzlich nachließ. Korpel beugte sich über die Liege, und Tronar
roch seinen Atem, als er sprach.
»Das war ein Vorgeschmack, Terraner«, zischte er. »Irgendwie ist es dir gelungen, den
Verhörmethoden zu widerstehen. Du hast gelogen. Dein Bruder hätte vor zwei Minuten aus der
Antenne deines Minikoms materialisieren sollen. Er tat es nicht.«
Tronar wollte widersprechen. Er wollte Korpel klarmachen, daß er die reine Wahrheit gesagt
hatte. Aber er brachte nur ein hilfloses Krächzen über die Lippen. Die Qual hatte ihn so
ausgebrannt, daß ihm die Zunge wie ein Stück rostiges Eisen am Gaumen rieb und die Stimmbänder
den Dienst versagten.
»Du hast noch anderthalb Minuten Zeit«, sagte Korpel. »Solange bleibst du von Schmerzen
verschont. Die Uhr an den Psychogeneratoren läuft. In genau einer Minute und fünfundzwanzig
Sekunden werden die Geräte anfangen zu arbeiten. Gegen das, was du dann erleben wirst, wird dir
alles Bisherige wie ein Kinderspiel erscheinen.
Merk dir das gut. Du kannst dir die Qual ersparen. Du hast noch eine Minute und fünfzehn
Sekunden Zeit. Du brauchst nur zu reden und mir die Wahrheit zu sagen,
Weitere Kostenlose Bücher