Silberband 032 - Die letzte Bastion
Mirona wurde von ihren neun Milliarden
Untertanen verehrt und vergöttert. Ihre Entfernung hätte Aufruhr hervorgerufen. Also mußte sie
ersetzt werden. Söldlinge der Meister ergriffen sie bei Nacht und Nebel und verschleppten sie
nach Multidon, wo aus ihrer Atomschablone ein Duplo erzeugt werden sollte, der ihre Stellung als
Tamrat einnahm.
Die Zerstörung von Multidon war gerade zur rechten Zeit erfolgt. Mirona hatte sich in der
Umgebung ihres Quartiers relativ frei bewegen können, da Proht Meyhet eine Flucht durch die
Dunkelwolke für unmöglich hielt und seiner Gefangenen daher sicher war. Als die Vernichtung von
Multidon fortschritt, war es Mirona im Zuge der allgemeinen Panik ohne Schwierigkeiten gelungen,
zu einem der Raumhäfen zu gelangen. Da alle größeren Schiffe längst gestartet waren, hatte Mirona
mit einem Beiboot vorliebnehmen müssen, das, aus der Reparaturwerft kommend, an Bord eines der
größeren Kriegsschiffe hatte verladen werden sollen. Niemand kümmerte sich darum, als sie sich in
den Besitz des Fahrzeugs setzte und startete. Auf Grund ihrer Ausbildung, die so ziemlich alle
Gebiete umfaßte, die ein geschulter Verstand sich ausdenken konnte, war sie eine geübte
Raumpilotin. Es gelang ihr leicht, das Boot in den Raum und auf einen Kurs zu bringen, der sie
auf dem kürzesten Weg zum Rand der Dunkelwolke brachte. Aber einer der tefrodischen
Kreuzerkommandanten hatte nicht sorgfältig genug darauf geachtet, was für ein Flugkörper ihm da
vor die Zielautomatik kam, und ihm eine Salve entgegengejagt. Neunzig Prozent der Gesamtenergie
verpufften wirkungslos im Raum, aber der Rest erwies sich als ausreichend, um aus dem Boot ein
Wrack zu machen.
Mirona hatte das Bewußtsein verloren, als ihr Fahrzeug die ersten Treffer erhielt. Sie war
erst an Bord der IMPERATOR wieder aufgewacht.
An dieser Stelle hielt Atlan es für angebracht, darauf hinzuweisen, daß es Sid Goldstein
gewesen war, der infolge eines äußerst glücklichen Zufalls die Signale ihres automatischen
Notsenders als erster aufgefangen hatte, und daß sie von Goldstein und Dowen Konnery gemeinsam
aus dem Wrack ihres Fahrzeugs gerettet worden war.
Mirona sprach den beiden Männern ihren Dank aus und tat dies mit so unverhüllter Herzlichkeit,
daß Dowen von neuem an der Nützlichkeit seiner guten Vorsätze zu zweifeln begann.
Der Arkonide verabschiedete sich kurze Zeit später. Er bat höflich um Verständnis dafür, daß
er Mironas Aussagen überprüfen lassen müsse, und die Tefroderin brachte ihre Einsicht in die
Notwendigkeiten des Daseins mit Worten und Blicken überzeugend zum Ausdruck.
Als Atlan, von Dowen und Sid begleitet, ihre Unterkunft verließ, wirkte er wie ein Mann, der
einen phantastischen Traum erlebt hat und das Erwachen hinauszuzögern versucht, weil er sich
davor fürchtet, daß das Bild der Wirklichkeit nicht der Schönheit seines Traums entsprechen
könnte.
Mirona Thetins Bericht, von einem von Atlan in der Tasche mitgeführten Minirekorder
aufgenommen, wurde ohne Zögern der Zentralen Positronik zur Untersuchung und Auswertung
zugeleitet. Experten nahmen an, daß die Maschine an dem Problem etwa eine halbe Stunde lang werde
zu arbeiten haben, und durch geheime Kanäle, durch die selbst die untersten Ränge der Besatzung
eines großen Schiffes stets über die wissenswertesten Ereignisse auf dem laufenden gehalten
werden, erfuhren schließlich auch Dowen und Sid, daß noch nie jemand den Arkoniden so nervös
erlebt hatte wie in diesen dreißig Minuten.
Dowen und Sid hatten es sich nach Atlans Vorsprache wieder im Vorraum der Kabine bequem
gemacht. Ihre Information erhielten sie von dem Korporal, der ihnen gegen fünf Uhr Bordzeit einen
Imbiß brachte, da die Servoleitung inzwischen abgeschaltet worden war – vermutlich, weil
einer der Logistikoffiziere in seinen ›Richtlinien für die Versorgung von niederen Chargen‹
nachgesehen und entschieden hatte, ein solcher Luxus stehe einem Sergeant und einem Korporal
nicht zu.
Sid schob sich einen Happen Omelette in den Mund und bemerkte:
»Ich wette, er hat sich Knall und Fall in sie verliebt.«
Der Gedanke bereitete Dowen Unbehagen, und Sid, der ihn aufmerksam beobachtete, bemerkte
es.
»Du hattest dir wohl selber schon ein paar Hoffnungen gemacht, wie?« erkundigte er sich
unumwunden.
»Ach, halt den Mund«, knurrte Dowen und stocherte lustlos auf seinem Tablett herum.
»Stellt euch die Schlagzeilen vor!« rief
Weitere Kostenlose Bücher