Silberband 054 - Finale für Pluto
glatt, die Lippen voll. Die weißen Haare schimmerten silbern. Trotzdem war dieses Gesicht
eine Karikatur. Es vermochte nicht über den alten Körper hinwegzutäuschen.
Jantir kicherte. Bei Pentschypon-Kala!
Er hatte ein aufregendes Leben hinter sich. Viele Angehörige des Murra-Clans beneideten ihn
darum. Mit sechs Jahren hatte er sich zum erstenmal verheiratet – früher als alle anderen!
Er hatte auf Sakora gekämpft und den Krieg gegen die aufständischen Afafas miterlebt. Als
reichster Mann seiner Gruppe war er von Vaclon zurückgekehrt. Und in der Uyl-Zeit hatte er drei
Sklavinnen besessen.
Dieses Leben war ein Rausch gewesen. Doch jetzt war es vorbei, nur die Erinnerungen waren dem
alten Mann geblieben.
Er öffnete ein größeres Wandfach, wo er seine letzten Schätze aufbewahrte. Dort lagen das
Krnuoa-Schwert, die Singende Maske von Elerkein und drei Asmathsteine. Mehr war ihm nicht
geblieben. Alte Männer, die nicht arbeiten und kämpften konnten, mußten ihre angesammelten
Schätze verkaufen, um die letzten Jahre ihres Lebens Nahrung zu bekommen.
Das war das Gesetz hier in der Außenrandzone von Gruelfin. Für jeden an Bord war dies eine
Selbstverständlichkeit.
Jantir nahm seine Habseligkeiten aus dem Wandfach und breitete sie vor sich auf dem Tisch
aus.
Mit zitternder Hand schrieb er einen Zettel.
Für Inas Thurba , die einzige Frau, der ich wirklich verbunden
war …
Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Er grinste bitter, als er den Zettel
zusammenfaltete und neben das Schwert legte. Inas war jetzt siebzehn – wenn sie Glück hatte,
konnte sie noch drei Jahre leben. Das Schwert und die anderen Sachen würden ihr Durst und Hunger
ersparen.
Jantir suchte die Bilder seiner Kinder heraus und verfluchte sie. Es war ein Ritual, an das
sich fast alle an Bord der Jucla-Schiffe hielten. Danach verbrannte Jantir die Bilder. Über den
Flammen wärmte er sich die Hände. Der Qualm stand schwer unter der flachen Decke der Kabine.
In der zwölften Stunde des Schiffes befahl Pentschypon-Kala 896. die Hinrichtung Jantirs.
Sechs Minuten später betraten drei Mitglieder der Alterspolizei die Kabine des Alten.
Jantir stand auf dem Tisch. Er war auf sein Schwert gestützt.
Rpola, der fünfzehnjährige Polizist, hatte Erfahrung. Es ging nie ganz ohne Schwierigkeiten
ab, wenn man diese Greise zur Hinrichtung abholte.
»Machen Sie keinen Unsinn, Jantir«, sagte Rpola sanft. »Sie kommen jetzt mit uns.«
Jantir hob das Schwert mit beiden Händen. Das Gewicht der Waffe riß ihn fast von den Beinen.
So schwankte er auf dem Tisch herum und schrie.
»Jantir!« rief Rpola. »Verhüllen Sie das Gesicht.«
Jantir hob die Waffe höher. Dann sprang er. Die Polizisten wichen zur Seite.
Das Schwert klirrte sekundenlang auf dem Boden. Obwohl der Alte auf ihm lag, schien das
seltsame Metall, woraus es bestand, noch immer zu schwingen.
Jantir blutete aus der Nase und zitterte.
»Er wollte uns umbringen«, sagte einer der Polizisten.
Rpola sah auf Jantir hinab. Vielleicht dachte er in diesem Augenblick daran, daß er in fünf
Jahren an der Reihe war, wenn nicht ein gnädiges Schicksal ihm einen früheren Tod bescherte.
»Verhüllt sein Gesicht!« befahl Rpola.
Er ging zur Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Die Polizisten durchsuchten die
Wandfächer, bis sie die Todestücher fanden. Sie schlangen sie um den Kopf des Alten.
Einer der Polizisten trat an den Tisch und faltete den Zettel auseinander, den Jantir
geschrieben hatte.
Er las laut vor, was da stand. Dabei krümmte er sich vor Lachen.
Der zweite Begleiter Rpolas öffnete einen Spannbeutel und füllte alles hinein, was Jantir
hinterlassen hatte. Doch als er das Schwert unter dem Körper des Alten hervorziehen wollte,
gelang es ihm nicht. Er rief seinen Gefährten um Hilfe, doch auch zu zweit konnten sie das
Schwert Jantirs nicht bewegen. Rpola runzelte die Stirn, als er das sah. Er hob eine Hand, und
die beiden Polizisten hörten auf, am Schwertknauf zu zerren.
»Dreht ihn auf den Rücken!« befahl Rpola.
Sie wälzten den Alten herum. Jantir ächzte und fuchtelte mit den Händen herum, als wollte er
sich die Todestücher vom Kopf reißen. Das Schwert blieb auf dem Boden liegen. Es klirrte leise,
als sie es aufhoben und im Spannbeutel unterbrachten.
»Können Sie gehen, Jantir?« fragte Rpola.
Jantir stand gebeugt da, so, wie ihn Rpolas Helfer hochgezogen hatten. Er schüttelte den
Kopf.
Rpola winkte.
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