Silberband 061 - Terra im Brennpunkt
andere Auffassung vom Heldentum vertrat als die Mehrheit unserer Artgenossen. Wenn ich ihn recht verstand, dann hielt er ›Heldentum‹ für das Ergebnis von Handlungen, die aus unübersichtlichen Situationen und irrationalen Motiven heraus entstanden waren. Folglich hielt Rorvic nur Handlungen für vertretbar, die in den großen Zusammenhang der Ereignisse hineingeplant und im voraus mit rationalen Mitteln überschaubar gemacht worden waren, kurz gesagt, Handlungen, deren Ergebnisse vorausberechnet und abgewogen wurden.
Dennoch war er mir nicht sympathisch, denn er strotzte vor Gift wie tausend Klapperschlangen.
Ganz in düstere Gedankengänge versunken, spie ich aus und traf dabei den Eingabesektor von Max, unserer Hauptpositronik, deren Betreuung mir oblag.
Die Kontrollampen blinkten aufgeregt, und die robotische Stimme von Max sagte: »Achtung, ungewöhnlich hohe Luftfeuchtigkeit, ohne erkennbare Ursache. Ich schlage Generalüberholung der Klimaanlage vor.«
Errötend beugte ich mich vor und sagte: »Danke, Max. Es handelt sich um ein Mißverständnis.« Ich wischte den Speichel mit dem Ärmel weg.
Bescrilo Nonderver blickte herüber und grinste schadenfroh. Riev Kalowont lachte unterdrückt. Heute schienen sich alle gegen mich verschworen zu haben – und daran war nur der tibetische Kapaun schuld.
Die Bezeichnung ›Kapaun‹ für Dalaimoc Rorvic gefiel mir derartig, daß meine depressive Stimmung schnell umschlug. Ich pfiff leise vor mich hin, während wir durch den Linearraum rasten.
Als die POLLUX in den Normalraum zurückfiel, schleusten wir die BUTTERFLY aus. Noch während des Ausschleusungsvorgangs teilte uns Kommandant Arewschatjan mit, daß das fliehende Cyno-Schiff geortet worden sei. Es würde von sechzig Schwarmschiffen verfolgt und beschossen, sei aber wegen seiner Wendigkeit anscheinend noch nicht getroffen worden.
»Sorgen Sie dafür, daß der Verband sich vierteilt«, ordnete Rorvic an, »und daß keiner aus der Reihe tanzt.« Er gähnte. »Sobald ich die Verfolger fortgejagt habe, soll das Cyno-Schiff ins Schlepp genommen werden.«
»Sir«, entgegnete Arewschatjan steif, »ich halte es für Wahnsinn, sich mit einer kleinen Space-Jet gegen sechzig Großkampfschiffe zu stellen. Lassen Sie uns den Kampf aufnehmen; unsere hundert Schiffe sind dem Gegner weit überlegen.«
»Das denken Sie«, erwiderte Rorvic freundlich. »Nein, mein Lieber, ich werde Sie nicht einer Gefahr aussetzen, der Sie nicht gewachsen wären. Ende.« Er schaltete ab.
Bescrilo lächelte breit und schaltete die Triebwerke der BUTTERFLY hoch. Die Space-Jet vibrierte wie ein Raumgleiter beim Eintritt in eine Planetenatmosphäre, als sie mit höchster Beschleunigung auf den schwarzen Diskus der Cynos zujagte.
Ich las die Ortungswerte ab. Das Cyno-Raumschiff war ein scheibenförmiges Fahrzeug von vierhundert Metern Horizontal- und fünfzig Metern Vertikaldurchmesser. Es führte derart komplizierte Manöver aus – und zwar mit ungewöhnlicher Schnelligkeit –, daß es nur von einer speziellen Positronik gesteuert werden konnte.
Der Grund dafür wurde mir sofort klar, als ich die acht riesigen schwarzen Walzenschiffe ortete und auf den Bildschirmen die stechend strahlenden Kristallkuppeln sah. Die Schiffe der Schwarzen Dämonen!
Diese Dämonen arbeiteten mit hypnosuggestiven Paraimpulsen, die durch die Kristallkuppeln abgestrahlt und gelenkt wurden. Aus Erfahrung wußten wir, daß selbst die parapsychisch hochbegabten Cynos nichts gegen mehrere Dämonenschiffe ausrichten konnten. Im Gegenteil, wir waren einmal Zeugen gewesen, wie Dämonenschiffe mit ihrer parapsychischen Ausstrahlung die Besatzung eines Cyno-Schiffes wehrlos gemacht und das Schiff vernichtet hatten.
Die Besatzung dieses Diskusschiffes war offensichtlich besser vorbereitet in den Einsatz gegangen. Sie hatte ihr eigenes Versagen einkalkuliert; dennoch arbeitete die Zeit gegen sie. Irgendwann in den nächsten Stunden würden die Energiesalven der Verfolgerschiffe ihr Ziel treffen. Wenn wir nicht gekommen wären.
Dalaimoc Rorvic hockte mit untergeschlagenen Beinen auf seinem schäbigen Teppich, doch diesmal meditierte er offensichtlich nicht. Seine Augen waren weit hervorgetreten und glichen Glasmurmeln, die man mit Sandpapier stumpf geschliffen hatte. Unablässig traten große Schweißperlen aus seiner grobporigen Haut. Die Lippen zitterten und waren schaumbedeckt.
Bei diesem Anblick schnürte mir das Grauen die Kehle zu. Rasch wandte ich mich ab
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