Silberband 063 - Das Tabora
die Maitreya erwartet. Ich wiederhole meine Frage: Was suchst du hier, Fremder?«
Diesmal erkannte ich an der Aussprache und einem schwachen Klirren, daß nicht ein Mensch, sondern eine Positronik zu mir gesprochen hatte. Aber die Antwort des Gehirns gab mir zu denken. Sie deutete darauf hin, daß es auch auf der Erde immer noch mächtige Geheimnisse gab, von denen die meisten Menschen offenbar nicht das geringste ahnten.
»Ich bin Captain Tatcher a Hainu«, sagte ich, »Assistent von Commander Dalaimoc Rorvic. Der Commander schickte mich hierher, damit ich ihm sein Amulett bringe. Es soll sich in einem ›Weißen Schrein‹ befinden.«
»Wie heißt das Amulett?«
Ich überlegte angestrengt. »Es war etwas mit Brabra oder Krava oder so, auf Interkosmo heißt es das Rad des Werdens.«
»Das Bhavacca Kr'a«, erklärte die Positronik. »Der Erbe des Bodiharm Arhad Rorvic vergaß es bei seinem letzten Besuch. Anuba wird dich zu dem Weißen Schrein geleiten.«
Es wurde hell, als zwölf Sektoren des Daches mildes gelbliches Licht verstrahlten. Neunmal hallte ein elektronischer Gong durch den Tempel, dann glitt eine große weiße Schlange aus einer Öffnung, die sich in einer Wand gebildet hatte.
Meine Reflexe waren schneller als mein Verstand, deshalb riß ich den Strahler heraus und schoß mit Paralysestrahlen auf die Schlange, bevor ich mir überlegte, daß es sich bei ihr vielleicht um Anuba handelte.
Das Tier reagierte nicht auf den Paralysebeschuß, sondern kroch unbeeindruckt weiter auf mich zu. Seine weißen Schuppen raschelten auf dem Boden des Tempels. Meine Stirn bedeckte sich mit Schweiß.
Einen Meter vor mir hielt die Schlange an, reckte den Kopf empor, öffnete den Mund und ließ ihre gespaltene Zunge in der Luft fächeln.
»Ich bin Anuba. Folge mir, Tatcher!« sagte die Schlange mit einer Stimme, die ich als menschlich-weiblich erkannte, gleichzeitig aber aufgrund meiner Erfahrungen als mechanisch.
Die Schlange war ein Roboter!
Ich schob den Strahler ins Gürtelhalfter zurück und folgte Anuba. Dabei konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.
Ich hatte den Tibeter schon immer für übergeschnappt gehalten, aber ein positronisch gesteuerter Tempel mit einer robotischen Tempelschlange übertraf selbst meine kühnsten Erwartungen.
Anuba führte mich durch eine schmale Tür, eine Treppe hinunter und in ein mit dunkelgrünem Jade verkleidetes Gewölbe. Im Hintergrund ragte ein Standbild empor, das einen beleibten sitzenden Mann zeigte, der offenbar in Meditation versunken war.
Über dem Dicken waren fünf stehende Figuren in meditierender Haltung angeordnet – und am Sockel des Standbildes sah ich zwei sitzende Hunde, von denen einer ein äffisches Gesicht hatte.
Zwischen den Tierfiguren befand sich eine undefinierbare Figur. Auf sie wies Anubas züngelnde Zunge.
Ich begriff und betastete die undefinierbare Figur, wobei mir der Gedanke kam, daß Dalaimoc Rorvic ebenso undefinierbar war wie diese Sockelfigur.
Ein elektronischer Gongschlag ließ mich zusammenzucken. Der Beleibte auf dem Sockel bewegte sich puppenhaft, löste die verschränkten Arme – und hielt mir plötzlich eine schwarze Scheibe entgegen.
»Das Bhavacca Kr'a!« sagte die Schlange.
Ich griff hastig danach – und hätte es beinahe fallen lassen. Die leicht aussehende Scheibe wog bestimmt zwei Kilogramm.
»Danke!« sagte ich, stopfte Rorvics Amulett in das Oberteil meines Kampfanzuges und eilte aus dem Tempel. Hinter mir hörte ich die Schuppen der Robotschlange über den Boden schleifen.
Ich hielt mich nicht auf, sondern lief auf meine Space-Jet zu, schnallte mich an und startete. Ungeduldig wartete ich auf die Genehmigung zum Verlassen des erdnahen Raumes.
Als sie kam, stieß ich den Beschleunigungshebel ganz nach vorn und raste mit irrsinnigen Werten in den solaren Raum hinaus, getrieben von der Ahnung, daß während meiner Abwesenheit auf Partisan etwas Furchtbares geschehen war …
Als ich auf den Planeten Partisan zuraste, irrten meine Gedanken vorübergehend ab und beschäftigten sich absurderweise mit der Frage, wie ein so schönes Raumschiff wie meines auf einen so merkwürdigen Namen kam, wie es der Name MOPY II war.
Wenn ich bei der Namensgebung dieses Schiffes hätte bestimmen dürfen, ich hätte es MOLLY oder DOLLY genannt – oder vielleicht WITCHCRAFT, denn es war schon beinahe Hexerei, mit welchen Beschleunigungswerten der Brummkreisel durch den Linearraum fegte.
Allerdings hatte ich die
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