Silberband 063 - Das Tabora
Tares ergriffen. »Mir ist das selbst noch nie so aufgefallen.« Er stand auf. »Dann werde ich mit meinen Reisevorbereitungen beginnen. Kannst du mir raten, was ich für die Kronenwächter mitnehmen soll?«
»Darum mache dir keine Sorgen«, sagte er Hohepriester und erhob sich ebenfalls. »Die Bewohner des Dorfes bringen alles zu meinem Tempel. Ich werde aussortieren und dir nur das Wertvollste mitgeben.«
Nachdem du dir vorher das Allerwertvollste unter den Nagel gerissen hast, dachte Kun Tares mit einer gewissen Bewunderung und etwas Neid. Du bist bald noch besser als ich …
»Ich komme täglich vorbei, um nach dir zu sehen«, versprach er und kehrte in sein kleines Haus zurück, in dem er seit drei Jahren lebte.
Es erinnerte keineswegs an die Behausungen auf seinem Heimatplaneten, aber er hatte sich daran gewöhnt. Außerdem paßte es auch besser zu der Körperform, die er angenommen hatte, die ihm nun ebenfalls nicht mehr ungewohnt war. Nur manchmal, in der Nacht, wenn er vor Überraschungen sicher sein konnte, entspannte er sich und wurde wieder zu dem, was er wirklich war – zu einem echten Pai'uhn K'asaltic.
Auf diese Wohltat würde er von nun an verzichten müssen, wenn ihm sein Leben lieb war. Außerdem konnte er sich so dicht vor dem ersehnten Ziel keinen Leichtsinn mehr erlauben. Wenn er plötzlichen Besuch erhielt, und das war nicht ausgeschlossen, würde die Rückverwandlung zu lange dauern. Das bedeutete seinen Tod.
Es dunkelte bereits, da kamen ihn Freunde besuchen, um ihn zu beglückwünschen. Sie taten das nicht ganz selbstlos, denn jeder wußte, daß er die wichtigste Persönlichkeit des Dorfes sein würde, wenn er tatsächlich die Krone sehen durfte.
Kun Tares bewirtete seine Gäste freundlich, plauderte mit ihnen und blieb ungemein höflich. Er hoffte, daß sie ihn nach Einbruch der Nacht endlich verlassen und allein lassen würden. Sie tranken den köstlichen Wein und kamen bald in die richtige Stimmung, um bis zum anderen Tag durchzufeiern. Kun Tares verstand es jedoch geschickt, sie gegen Mitternacht aus dem Haus zu komplimentieren. Er mußte nachdenken.
Die drei Wartetage vergingen ohne besondere Ereignisse. Die Geschenke wurden gesammelt und ausgewählt. Die Frauen packten sie zu einem bequemen Bündel zusammen, das er leicht tragen konnte. In einem zweiten Bündel befanden sich Lebensmittel für die Reise.
Dann trafen die ersten Wallfahrer ein. Da die rote Sonne Merkados bereits tief stand, baten sie den Hohepriester um die Erlaubnis, auf dem Dorfplatz nächtigen zu dürfen. Man hatte ähnliches erwartet und vorgesorgt. Ein Stapel Holz würde für ein wärmendes Lagerfeuer sorgen, denn die Wallfahrer durften für die Dauer ihrer Reise nicht in Häusern nächtigen.
Kun Tares gesellte sich zu ihnen, um sie kennenzulernen. Sie nahmen ihn mit Freuden in ihrer Mitte auf, als sie erfuhren, daß er der Auserwählte des Dorfes war. Lange noch saß man um die glühenden Holzstücke und lauschte den Erzählungen der Weitgereisten, die zum Teil schon seit Wochen oder gar Monaten unterwegs waren. Man sah ihnen die Strapazen an, die sie nun bald hinter sich haben würden. Der Rückweg würde für sie nicht mehr so beschwerlich sein, denn dann durften sie einen Wagen benutzen oder sich von Freunden mitnehmen lassen.
Kun Tares kehrte in dieser Nacht nicht in sein Haus zurück, sondern schlief das erste Mal bei den Wallfahrern. Früh am anderen Morgen brach man auf.
Drei Tage später sah Kun Tares die Felsenburg aus der Ebene in den Himmel ragen. Sie lag einige Kilometer vom Rand einer großen Stadt entfernt inmitten eines Urwaldgebietes. Nur eine schmale Straße führte auf einem Damm durch das sumpfige Gelände, in dem es angeblich noch wilde Tiere geben sollte. Sie mußten das gefährliche Gebiet vor Dunkelwerden durchqueren, denn in dem riesigen Burghof erst würden sie in Sicherheit sein. Wer jetzt zurückblieb, der war so gut wie verloren. Doch auch diese letzte Strecke gehörte zu den vielen Prüfungen, die sich die Wallfahrer aufzuerlegen hatten.
Kun Tares fühlte sich noch frisch und ausgeruht. Nach einer kurzen Ruhepause nahm er sein Geschenkbündel und das zweite, bereits sehr geschrumpfte Bündel mit der Verpflegung und folgte den anderen. Das Gelände fiel zur Ebene hin ab. Die Straße, die von der Stadt zur Burg führte, war gut zu erkennen. Wie ein schmales Band zog sie sich durch den grünen Teppich des Urwaldes.
Auch von anderen Seiten kamen nun Pilger hinzu und stießen
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