Silberband 064 - Die Stimmen der Qual
schob sich in dieser Haltung bis an den Rand des Kessels. Dann blickte er hinab in den See.
Das Wasser schien zu glühen; obwohl die Sonnenstrahlen nicht bis in die Tiefe des Kessels reichten, konnte Alaska jedes Detail der bewegten Wasseroberfläche erkennen. Das und die Tatsache, daß es dort unten Wellen gab, waren unerklärlich.
Durch die leuchtenden Fluten glaubte Alaska am Grund des Sees merkwürdige Bauten zu sehen, zwischen denen riesige Gesichter auf den Boden gemalt waren. Aber jedesmal, wenn er sich auf ein Bild konzentrierte, verschwamm es vor seinen Augen.
»Siehst du die Spuren?« fragte Kytoma.
»Ich bin mir nicht darüber im klaren, was ich eigentlich sehe«, gab Alaska zurück. Unwillkürlich sprach er mit gedämpfter Stimme.
»Wir werden während der Nacht hierbleiben«, entschied Kytoma. »Sobald es dunkel ist, wird der See verstummen. Dann werde ich hinabgehen in den See und den Spuren folgen.«
Am Grunde des Sees, daran zweifelte Alaska jetzt nicht mehr, lagen die Überreste einer uralten und nichthumanoiden Zivilisation.
»Wie will sie da hinunterkommen?« fragte Rakkells ärgerlich. »Sie wird sich das Genick brechen.«
Die beiden Männer richteten sich in der Nähe des Abgrunds ein Lager ein. So gut es ging, trockneten sie in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne ihre Kleider. Kytoma verließ ihren Platz nicht.
Als die Sonne auf der gegenüberliegenden Seite des Kessels hinter dem Wald versank und ihre Strahlen den Himmel blutrot färbten, hörte das Summen des Sees Talsamon auf. Alaska erhob sich und trat an Kytomas Seite. Unten im Kessel war es so dunkel geworden, daß der Maskenträger das Wasser nicht mehr sehen konnte.
Er wandte sich an Kytoma. »Gehst du jetzt?« Er erhielt keine Antwort.
Als er sich vorbeugte, sah er, daß ihre Augen weit geöffnet waren. Doch sie sahen aus wie erloschene Kohlen, völlig leblos.
»Was ist?« rief Rakkells. »Hat sie es sich noch einmal anders überlegt?«
»Ich glaube«, erwiderte Saedelaere in seiner holprigen Sprechweise, »daß sie bereits gegangen ist.«
***
In den ersten Stunden der Nacht war es in der Nähe des Sees Talsamon unheimlich still. Sogar der Wind hatte sich gelegt. Mit klopfendem Herzen lag Alaska am Boden und lauschte angespannt in die Dunkelheit. Er hörte Rakkells angestrengt atmen. Kytoma stand wie eine Statue am Rand des Kessels.
Dann tauchte ein silberfarbener Mond jenseits des Kessels am Himmel auf und tauchte das Land in unwirkliches Licht. Als wäre das Erscheinen des Mondes ein mit der Natur dieses Planeten abgesprochenes Signal, begann der Wald sich zu bewegen. Es war ein phantastischer Vorgang, wie Alaska ihn niemals zuvor beobachtet hatte.
Die Bäume ächzten und stöhnten, ihre siebenteiligen Stämme dehnten sich aus und verbreiterten sich. Die Bäume sanken in sich zusammen. Durch diesen Prozeß wurde der Abstand zwischen den einzelnen Stämmen immer größer, so daß die in ihren natürlichen Käfigen sitzenden Tiere ins Freie gelangen konnten. Unglaublich flink verließen die weißhäutigen Wesen ihre Gefängnisse und kletterten an den Bäumen empor. In den Ästen blieben sie hocken und rissen die knollenförmigen Blätter ab. Alaska konnte sehen, wie die Tiere die Knollen eine Zeitlang zwischen den Händen zerrieben und dann in den Mund schoben. Ein süßlicher Duft breitete sich aus.
»Sie kommen heraus, um zu fressen«, stellte Rakkells fest. Sein Kichern klang gekünstelt.
Nach etwa einer Stunde kehrten die Tiere an ihre ursprünglichen Plätze zurück. Die Bäume richteten sich wieder auf, wobei sich die siebenteiligen Stämme wieder zusammenzogen und die Tiere einschlossen.
»Wunderbar!« entfuhr es Alaska. »Eine solche Form der Symbiose habe ich noch nie gesehen.«
»Wir sollten versuchen, ob wir diese Knollen ebenfalls essen können«, schlug Rakkells vor. Er begab sich zu einem nahe liegenden Baum und riß ein paar der seltsamen Blätter ab.
»Warten Sie, was Kytoma dazu sagt!« warnte ihn Saedelaere.
Doch Rakkells schob eine Knolle in den Mund und begann zu kauen. »Schmeckt nicht schlecht!« meinte er. »Auf jeden Fall brauchen wir nicht zu verhungern.«
Wenige Minuten später erschien ein zweiter Mond am Himmel. Er beschrieb fast die gleiche Bahn wie der zuerst aufgetauchte Trabant.
»Wie lange wird die Nacht dauern?« fragte der Captain.
»Das kann niemand sagen«, erwiderte Alaska. »Wir sollten jedoch abwechselnd ein bißchen schlafen.«
»Ich bin viel zu aufgeregt«,
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