Silberband 065 - Die Altmutanten
Einei-Sechs-Experiments konnten nicht schneller laufen, denn sie beherrschten ihre Körper sowenig wie Kinder, die die ersten Schritte taten. Sie konnten sehen und hören, konnten die empfangenen Eindrücke jedoch nicht verwerten, sie konnten nicht sprechen, nur Laute von sich geben, die ihre Gefühlsstimmungen ausdrückten – sie waren Säuglinge in Körpern von Erwachsenen.
Sie beherrschten nur ihre parapsychische Fähigkeit, aber selbst die setzten sie nur instinktiv ein. Dieses Instinktivhandeln war vergleichbar mit der Nahrungsaufnahme eines Neugeborenen. Die Normalsynthos esperten einen gewaltigen Geist, sogen sich an ihm fest und versuchten, ihn zu verschlingen.
Die Roboter waren ihnen schon dicht auf den Fersen. Als sie in einen Quergang abbogen, an dessen Ende sich der Antigravschacht befand, wartete Gorlan mit erhobener Waffe an der Abzweigung. Er ließ die Roboter – es waren insgesamt sechs – auf zwanzig Schritt herankommen, dann belegte er sie mit Dauerfeuer.
Erst als er sicher sein konnte, daß keiner von ihnen heil davongekommen war, setzte er die Waffe ab und folgte den anderen, die den Antigravlift bereits erreicht hatten. Onacro hatte die Spitze übernommen, Gorlan bildete den Abschluß – so schwebten sie im Schacht empor.
In Höhe der zweiten Etage ereignete sich der erste Zwischenfall.
Ein Roboter tauchte im Einstieg auf, griff nach Alaska Saedelaere und bekam seine Handgelenke zu fassen. Die Normalsynthos, die sich um Saedelaere bisher so hilfreich gekümmert hatten, rührten diesmal seltsamerweise keinen Finger für ihn. Ihre hektischen Bewegungen und die Laute der Ungeduld, die sie von sich gaben, ließen Gorlan ahnen, daß sie bereits zu stark im Bann von Corellos parapsychischer Ausstrahlung standen.
Der Roboter hatte Saedelaere aus dem Antigravfeld hinaus auf den Korridor gezogen, als Gorlan die Etagenöffnung erreichte. Er zerstrahlte den Schädel des Roboters mit einem gefächerten Energieimpuls und holte dann den Maskenträger in den Schacht zurück.
Saedelaere war im Augenblick viel zu apathisch, um eine Reaktion zu zeigen – nur sein Gesicht hinter der Maske strahlte in allen Farben des Spektrums.
Gorlan war kaum zurück im Antigravfeld, als hoch über ihm ein Geschrei anhob. Vauw Onacro fluchte. Aus dem Korridor der dritten Etage ragten ein Dutzend Arme in den Schacht hinein; einer der Psycho-Vampire wurde von ihnen gepackt und herausgezogen.
»Holen Sie ihn zurück, Gorlan!« rief Vauw Onacro, der sich inzwischen schon in Höhe der vierten Etage befand.
Als Gorlan die dritte Etage erreichte, kam für den Normalsyntho jede Hilfe zu spät. Die Meute der von Corello beeinflußten Wissenschaftler hatte ihn förmlich in Stücke gerissen. Gorlan vernahm das klägliche Wimmern des Sterbenden, aber er wagte sich nicht in den Korridor hinaus. Andererseits brachte er es auch nicht über sich, von seiner Waffe Gebrauch zu machen. Er wollte nicht noch einmal einen seiner Kameraden töten.
Während Gorlan zur achten Etage hinaufschwebte, fragte er sich, ob sie jetzt noch eine Chance gegen Corello hatten.
Sicher, sie konnten immer noch mit der Unterstützung der Psycho-Vampire rechnen. Aber es gab deren nur noch zwei!
Vauw Onacro hatte mit Corellos Hinterlist und Tücke gerechnet, aber damit nicht! Er hätte nicht geglaubt, daß der Mutant sie in der Hauptschaltzentrale erwarten würde!
Saedelaere, der für einen kurzen Moment die geistigen Fesseln abschütteln konnte, schrie noch: »Corello wird uns zermalmen!«
Aber weder Onacro noch Gorlan hatten eine Ahnung, was er ihnen damit sagen wollte. Die beiden Psycho-Vampire begannen immer schneller zu laufen, was grotesk wirkte, und stießen dabei winselnde Laute aus.
Onacro kam gleichzeitig mit ihnen in die Hauptschaltzentrale – und erstarrte.
Ribald Corello saß aufrecht in seinem Tragerobot und blickte ihnen gelassen entgegen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber plötzlich verzog sich sein Gesicht schmerzhaft.
Onacro wußte, daß es das Startzeichen für die Auseinandersetzung zwischen den beiden verbliebenen Psycho-Vampiren und den unsichtbaren Mächten war, die Corello beherrschten.
Die beiden Normalsynthos waren stehengeblieben. Sie hatten die Beine etwas abgewinkelt, die Füße nach innen gestellt, ihre Rücken leicht gekrümmt, und die Hände hatten sie in ihrer Brust verkrallt. Über ihre Lippen kam leises Seufzen. Ihre Köpfe bewegten sich wie im Takt einer einschmeichelnden Melodie hin und her –
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