Silberband 069 - Die Hyperseuche
Siedlerwelten vor, auf denen sie gern willkommen geheißen wurden, weil sie Nachrichten aus der solaren Zivilisation brachten und mit Rat und Tat helfen konnten. Andere wiederum ließen sich auf unerforschten, wilden Urwelten absetzen, um dort für einige Tage und Wochen das Leben eines Gottes zu führen. Es gab auch Urlauber, die auf solchen Planeten landeten, die bereits eine gewisse Eigenständigkeit besaßen und nicht einmal wußten, daß es so etwas wie eine kosmische Zivilisation gab.
4.
Bericht Tatcher a Hainu
»Das ist er«, sagte Major Dragomir Borstow, Kommandant des Leichten Kreuzers PORTO CERVO, zu Dalaimoc Rorvic und mir. Er meinte Tsittok, den dritten Planeten der gelben Sonne Hagelar in dem offenen Sternhaufen nordwestlich des galaktischen Nordpols, rund zweihundertneunzig Lichtjahre vom Solsystem entfernt.
»Sieht aus wie eine zweite Erde«, bemerkte Rorvic phlegmatisch.
Major Borstow lächelte. »Das täuscht, Sir. Vielleicht haben auf Tsittok einmal erdähnliche Zustände geherrscht, bevor es sich die Träger der einstigen Zivilisation anders überlegten und es vorzogen, als nomadisierende Jäger zu leben, statt ihre hochstehende Technik weiterzuentwickeln.«
»Interessant«, meinte der fette Tibeter. Sein gleichgültiger Tonfall strafte das Wort allerdings Lügen.
Ich blickte auf den Frontsektor der Panoramagalerie. Die Bildtechniker des Kreuzers hatten eine Vergrößerung geschaltet, so daß Tsittok deutlich als fußballgroße blaue Kugel mit hellen Wolkenfeldern zu sehen war, obwohl wir noch rund dreihundert Millionen Kilometer von dem Planeten entfernt waren.
Mich interessierte diese Welt, und ich bedauerte es, daß unser Aufenthalt voraussichtlich nur wenige Stunden dauern würde. Unsere Aufgabe war trivial: Wir sollten drei Besatzungsmitglieder der MARCO POLO, die hier ihren Urlaub auf Großwildjagd verbrachten, abholen und zur Quarantänestation auf dem Erdmond bringen, wo sich bereits etwa zweitausend Besatzungsmitglieder der MARCO POLO befanden.
Dalaimoc Rorvic gähnte tief und kratzte sich gedankenverloren seinen kahlen Schädel. An seinem Verhalten stieß sich sonderbarerweise niemand, obwohl er schon von jeher nur das tat, was ihm gefiel.
Der Tibeter warf noch einen Blick auf den Frontschirm, dann kreuzte er die Beine unter sich zum Schneidersitz. Sein Bauch berührte dabei die Vorderkante seines Kontursessels. Er legte die dicken Hände auf die Knie, ließ die Lider halb hinabsinken und verfiel schon wieder in ein Dösen, das er heuchlerisch als ›Meditation‹ zu bezeichnen pflegte.
»Fremdwelt im Universum!« murmelte er. Anscheinend war er endlich übergeschnappt. Es hatte ja so kommen müssen.
Ich schwang mich aus meinem Kontursessel, ging zu dem leichenhäutigen Mutanten hinüber und hielt ihm die Nase zu. Rorvic wehrte sich weder, noch öffnete er den Mund zum Atmen.
»Was tun Sie da, Captain a Hainu?« fragte Major Borstow argwöhnisch.
Ich lächelte ihm beruhigend zu. »Ich verhindere, daß Rorvics Seele durch die Nasenlöcher entweicht, während der Geist seine Kontrolle über den Körper aufgegeben hat.«
Borstows hölzern wirkendes Gesicht verzog sich zu einer Miene, die Verblüffung ausdrückte.
»Müssen Sie das immer machen, wenn Sonderoffizier Rorvic meditiert?« erkundigte er sich.
Ich nickte. »Stimmt, Major. Ich bin Rorvics Seelenwächter.«
Einige Männer der Zentralebesatzung kicherten, verstummten aber sofort, als Borstow sich finster umsah.
Unterdessen war ich doch etwas besorgt über Rorvics Zustand. Ich fragte mich, wie lange das fette Scheusal die Luft anhalten konnte, ohne daß seine Lebensflamme erlosch. Er rührte sich überhaupt nicht.
Ich nahm die Finger weg, aber sofort fuhr Major Borstow mich an: »Nicht loslassen, Captain! Bedenken Sie die ungeheure Verantwortung, die Sie tragen!«
Da merkte ich, daß er nicht auf mein Märchen hereingefallen war, sondern nur zum Schein darauf eingegangen war. Diesmal lachten die Männer der Zentralebesatzung offen, und Borstow stimmte schließlich ein.
Ich lachte allerdings nicht mit, denn Rorvic atmete immer noch nicht. War es möglich, daß er erstickt war, weil ich ihm die Nase zugehalten hatte? Es erschien undenkbar, aber bei Rorvic mußte man auf alles gefaßt sein. Vielleicht war er absichtlich gestorben, um mich in eine peinliche Lage zu bringen.
Verstohlen, so daß es niemand sah, kniff ich ihn mit aller Kraft in den Oberschenkel.
Im nächsten Moment öffnete er den Mund und blies mir
Weitere Kostenlose Bücher