Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
seinem Gesicht, das sich in Farbe und dreidimensional auf dem Bildschirm der Sprechanlage abzeichnete, war anzusehen, daß er dem anderen den Besitz des Ceynachgehirns neidete.
Doynschto wußte sofort, worum es ging. Trotzdem stellte er sich unwissend. »Gibt es einen Grund, warum man mir gratulieren sollte?«
Vermoyn lächelte verbissen. »Sie haben einen Ceynach erwischt. Ausgerechnet auf dem Offiziellen Markt.«
»Wo sonst?« brauste Doynschto auf. Er war schwer aus der Ruhe zu bringen, aber die sicher unbewußt ausgesprochene Unterstellung, er könnte sich noch anderer Bezugsquellen bedienen, machte ihn wütend.
»Sie waren unglaublich schnell!« gestand Vermoyn. »Bevor irgendein anderer reagieren konnte, waren Sie schon dort.«
»Sie wissen, daß das allein an der richtigen Auswertung der Daten liegt«, entgegnete Doynschto.
»Ich möchte Sie gern besuchen und mir zusammen mit Ihnen das Ceynachgehirn ansehen«, verkündete Vermoyn. »Schalten Sie Ihren Transmitter ein!«
Doynschto unterdrückte ein Lächeln. Er hatte also richtig gehandelt, als er unmittelbar nach ihrer Rückkehr vom Markt der Gehirne seinem Assistenten befohlen hatte, die Transmitteranlage abzuschalten. Ohne diese Vorsicht würde es jetzt in der Klinik bereits von neugierigen Besuchern wimmeln.
»Das Gehirn ist erschöpft«, sagte er. »Ich werde ihm ein paar Tage Ruhe gönnen. Danach werde ich eine offizielle Delegation zur Besichtigung einladen. Wenn Sie es wünschen, werde ich Sie als Mitglied dieser Delegation empfehlen.«
Das war selbst für einen so direkt denkenden und handelnden Mann wie Vermoyn eine Beleidigung. Doch Doynschto war viel zu müde und verärgert, um weiterhin höflich zu sein. Er hatte nur noch den Wunsch, dieses Gespräch zu beenden.
»Ihre Einstellung ist bekannt«, klagte Vermoyn. »Es stimmt also doch, daß Sie nicht kollegial denken.«
»Unsinn!« rief Doynschto der Sanfte. »Wenn es um exotische Gehirne geht, entwickeln wir doch alle eine gehörige Portion Egoismus. Sie haben es auch nicht gern, wenn man Ihnen über die Schultern sieht, wie Sie ein besonderes Gehirn verpflanzen.«
Scheinbar ohne jeden Zusammenhang sagte Vermoyn: »Gibt es Nachrichten von diesem Roten Anatomen oder von anderen Schwarzhändlern?«
»Niemand hat bisher bewiesen, daß der Rote Anatom ein Schwarzhändler ist!«
»Wollen Sie ihn verteidigen?«
»Gewiß nicht, dazu verabscheue ich ihn und seine Methoden viel zu sehr.«
Vermoyn schaltete seine Anlage ab.
Doynschto wollte schlafen gehen, doch er stellte schnell fest, daß er keine Ruhe mehr finden würde. Immer wieder mußte er an das Gehirn denken, das jetzt einsam im Experimentierraum stand. Doynschto blickte auf die Uhr. So spät am Abend war in der Klinik längst Ruhe eingekehrt. Die robotische Wachanlage war eingeschaltet. Sie würde sofort Alarm schlagen, wenn einer der Patienten Hilfe brauchte. Drüben im Bereitschaftsraum saßen zwei Mediziner, die jederzeit eingreifen konnten.
Auch Spercamon hatte sich in seine privaten Räume zurückgezogen. Nur Percto hockte draußen vor der Tür und wartete auf Anordnungen seines Herrn. Früher einmal hatte Doynschto die Fähigkeit der Bordins, überall sofort einschlafen zu können, sehr bewundert, inzwischen jedoch wußte er, daß dies nur auf ihren unkomplizierten Metabolismus und auf ihr im Verhältnis zu den Yaanztronern geringes Denkvermögen zurückzuführen war.
Doynschto verließ den Raum. Sofort blickte Percto auf.
»Schon gut«, sagte Doynschto. »Ich sehe mich noch ein bißchen um, bevor ich mich zur Ruhe lege.«
Trotzdem richtete der Bordin sich auf. »Soll ich Sie begleiten?«
Doynschto zögerte. Insgeheim sehnte er sich nach Gesellschaft. Er wollte jedoch dem neuerworbenen Gehirn noch einen Besuch abstatten. Dabei konnte er keinen Begleiter brauchen, schon gar keinen naiven Bordin wie Percto.
So lehnte er auch das Angebot des Bordins ab.
Obwohl ihm die klinikeigene Transmitteranlage zur Verfügung gestanden hätte, ging Doynschto zu Fuß. Er liebte diese einsamen Spaziergänge, die ihn normalerweise hinaus in den Park führten. Fast immer war die Klinik durch einen alles umspannenden Energieschirm abgesichert. Doynschto hatte die Erlaubnis für diese Vorsichtsmaßnahme erst nach längerem Drängen und nach mehreren Überfällen erhalten. Der Wissenschaftler lächelte bei dem Gedanken, daß er drei der insgesamt fünf Angriffe auf die Klinik selbst inszeniert hatte, um seinem Anspruch Nachdruck zu
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