Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
kein allgemeines Versuchsobjekt werden, sondern allein dem Sanften zur Verfügung stehen.
Spercamon fühlte Enttäuschung in sich aufsteigen. Er hatte gehofft, zum erstenmal eigene Erfahrungen mit einem Ceynachgehirn sammeln zu können.
Neben dem Namensschildchen lag ein Batzen Manktra, eine biochemische, halborganische Masse, mit der das Schildchen auf der Brust des Bordinkörpers befestigt werden konnte.
»Wach auf!« rief Spercamon wütend. »Wach auf, Tecto!«
Der Bordin öffnete die Augen, aber es dauerte einige Zeit, bis die starren Blicke lebendig wurden. Spercamon ahnte, daß der Fremde noch immer Orientierungsschwierigkeiten hatte.
»Wo ist Doynschto?« murmelte der Bordin.
»Er ist nicht hier. Ich bin allein.« Spercamon beugte sich über den mächtigen Körper und entdeckte den Energieprojektor neben dem Lager. Das Fesselfeld war eingeschaltet. Unwillkürlich wich der junge Yaanztroner zurück.
»Man hat dich gefesselt!« stieß er hervor.
»Was ist daran so ungewöhnlich?« erkundigte sich der Fremde. Es fiel Spercamon auf, daß er langsam sprach und nach Worten suchte. Noch mußte er seine nauparoischen Kenntnisse den Restfragmenten von Tectos Gehirn entnehmen.
»Es verstößt gegen die Regeln. Du bist frei, aber Doynschto fesselt dich hier wie einen Sklaven.«
»Ich habe noch keinen Vertrag mit ihm geschlossen. Er hat mir Bedenkzeit gegeben.«
Spercamon griff nach dem Plättchen mit der Kennziffer und zeigte es dem Bordin.
»Er ist überzeugt davon, daß du diesen Vertrag schließen wirst. Im Grunde genommen hast du auch keine andere Wahl. Was wirst du tun?«
»Doynschtos Angebot annehmen!«
Ein Gefühl der Eifersucht machte sich in Spercamon breit. Zumindest hätte Doynschto ihn über seine Absichten unterrichten können.
Wenn es um kostbare Gehirne geht, sind sie alle gleich! dachte Spercamon wütend. Vielleicht spielte der Sanfte sogar mit dem Gedanken, dieses ungewöhnliche Gehirn früher oder später in seinen eigenen Körper zu verpflanzen. Es war kein Geheimnis, daß Doynschtos Gehirn aufgrund seines hohen Alters bereits Schwächen zeigte.
Spercamon beugte sich vor und schaltete den Projektor aus.
»Du bist nicht länger ans Bett gefesselt«, sagte er zu Tecto. »Ich werde diese Handlungsweise gegenüber Doynschto verantworten.«
Er blickte trotzig in Richtung der Aufnahmegeräte und hoffte, daß diese Szene aufgezeichnet wurde. Der Wunsch, Doynschto, der ihn so enttäuscht hatte, zu verletzen, wurde immer stärker. Spercamon konnte ihm nicht widerstehen.
»Hast du schon Gehversuche gemacht?«
Der Bordin verneinte.
»Dann los!« rief Spercamon aufmunternd. »Du mußt damit anfangen. Es wird zunächst ein bißchen schwierig sein. Dieser Bordinkörper unterscheidet sich sicher in vielen Dingen von deinem Körper. Du mußt ihn beherrschen lernen.«
Der Patient richtete sich umständlich auf und stützte sich auf die Arme.
»Sie haben recht, Spercamon! Es ist ein Gefühl, als wollte man einen tonnenschweren Sack bewegen.«
»Wir werden Doynschto damit überraschen, wie gut du dich schon bewegen kannst«, sagte Spercamon heftig. »Zieh die Beine an und strecke sie wieder aus. Du mußt ein Gefühl dafür bekommen, wie sie reagieren.«
Der Fremde führte gehorsam alle Anweisungen aus. Spercamon hatte oft genug zugesehen, wie Doynschto mit frisch verpflanzten Gehirnen gearbeitet hatte, deshalb wußte er genau, wie er vorgehen mußte.
»Jetzt die Beine auf den Boden«, ordnete er an. »Du darfst sie nicht sofort mit dem gesamten Gewicht belasten. Je langsamer du vorgehst, desto schneller wirst du alles beherrschen.«
Spercamon staunte über die Bereitwilligkeit, mit der der Fremde alles tat, wozu er ihn aufforderte. Dieses Ceynachgehirn schien sehr ehrgeizig zu sein.
Vielleicht hatte es schon sehr lange ohne Körper existieren müssen und führte nun alle Bewegungen mit einer verständlichen Gier aus.
»Versuche, ob du aufstehen kannst!«
Der Bordinkörper richtete sich auf. Er schwankte hin und her. Die Beine zitterten.
»Gut! Sehr gut!« lobte Spercamon. »Ich könnte dich jetzt stützen, damit du die ersten Schritte machen kannst, aber es wird besser für dich sein, wenn du es allein schaffst. Es wird dein Selbstbewußtsein stärken.«
Beiläufig fügte er hinzu: »Hat Doynschto schon angedeutet, was er mit dir vorhat?«
»Nein, er sprach nur von gewissen Experimenten.«
»Er will dich testen, um herauszufinden, ob du auch für seinen Körper verwendbar bist.«
Weitere Kostenlose Bücher