Silberband 074 - Konzil der Sieben
um ihm einen Mordanschlag zuzutrauen. Sie wußte, wie intelligent der Haupterbe von TEMSYV war. Er würde, wenn er einen Anschlag plante, niemals so vorgehen, wie der Detektiv es getan hatte.
Plötzlich durchfuhr es sie siedendheiß. Pilon Bonhero war der einzige Mensch, der sie tödlich haßte oder der es eigentlich hätte tun müssen. Sie hatte keinem anderen Menschen ein Motiv gegeben.
Wenn er es nicht gewesen war, dann konnte nur …
Dr. Phoumo erschien wieder in ihrem Blickfeld. Er sah ernst aus. Martola Bonhero wurde sofort argwöhnisch. Irgend etwas mußte geschehen sein. Hatte Pilon Verdacht geschöpft? Wollte er eine Individualgehirnschwingungs-Messung durchführen lassen? Auch ihn mußte der Mordanschlag überrascht haben.
Sie schloß die Augen. Sie wollte in Ruhe überlegen. Bisher hatte sie schon mehrere Krisen gemeistert, ohne daß jemand in ihrer Umgebung es überhaupt bemerkt hatte. In den vergangenen drei Jahren hatte sie unzählige Male bewiesen, daß sie denken konnte. Sie würde sich auch jetzt retten.
Geduldig wartete sie ab, daß sich ihr Körper von dem schweren Schock erholte, den er durch die Verletzung erhalten hatte. Die biochirurgischen Robotsysteme entlasteten ihn und übernahmen zahlreiche Steuerungsvorgänge, die durch den übersteigerten Streß entstanden waren. Sie wußte, daß diese Prozedur Zeit beanspruchte. Ohne die Hilfe der hochentwickelten Medizin hätte sie wahrscheinlich Wochen benötigt, um die Schäden zu überwinden. Jetzt sollte sie für einige Stunden Geduld haben.
Als sie jemanden neben sich atmen hörte, schlug sie die Augen wieder auf. Sie wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war. Pilon Bonhero stand neben ihr und blickte auf sie herab.
»Wie geht es dir?« fragte er.
Sie blinzelte ihm zu. »Ganz gut«, sagte sie leise.
»Ich würde dich nicht belästigen, wenn es nicht so eilig wäre«, sagte er. »Kannst du mir sagen, weshalb Raven Hornisch auf dich geschossen hat? Warum wollte er dich töten?«
Sie verengte die Augen. »Weil du ihn dafür bezahlt hast«, antwortete sie mit gepreßter Stimme. »Warum sonst?«
»Du weißt, daß das nicht stimmt.«
»Quäle mich nicht!«
»Bitte, Mr. Bonhero.« Das war die Stimme von Dr. Phoumo. »Sie dürfen jetzt wirklich nicht …«
Pilon Bonhero verschwand aus ihrem Blickfeld. Sie hörte, wie er mit dem Arzt flüsterte. Nur ab und zu verstand sie einige Satzfetzen, wenn die Männer ihre Stimme etwas anhoben.
Eisiger Schrecken fuhr ihr in die Glieder. Pilon Bonhero hatte tatsächlich Verdacht geschöpft. Er forderte eine Messung ihrer Individualgehirnschwingungen auf der Basis der Parafrequenzen. Das war das Aus! Die Schwäche übermannte sie, und sie wurde bewußtlos.
Als sie wieder zu sich kam, fühlte sie sich wieder kräftig. Die Schulter schmerzte nicht mehr. Behutsam tastete sie die Wunde ab, die von einem Verband abgedeckt wurde. Alles war in Ordnung. Sie blickte sich um und stellte fest, daß sie in einem Bett in einem großen Raum der Klinik lag. Ein Medoroboter befand sich nicht in ihrer Nähe. Also ging es nur noch um die Rehabilitation. Die eigentliche Behandlung aber war abgeschlossen.
Sie erinnerte sich panikerfüllt daran, daß Pilon eine Untersuchung gefordert hatte, durch die sie demaskiert werden würde. Sie durfte und konnte nicht hierbleiben!
Leise ächzend stieg sie aus dem Bett und ging im Zimmer auf und ab, um ihre Konstitution zu überprüfen. Sie kämpfte mit einer aufsteigenden Schwäche und mußte sich vorübergehend setzen, weil ihr schwindelig wurde. Der Anfall ging schnell vorbei. Sie erhob sich und öffnete den Schrank. Darin lagen ihre Sachen. Jemand hatte sogar ihre Handtasche mitgebracht und ihr ein neues Kleid geschickt. Sie durchwühlte die Handtasche und nahm einen kleinen Desintegratorstrahler daraus hervor. Nervös drückte sie die Energiepatrone heraus. Sie atmete erleichtert auf, als sie sah, daß sie noch voll war.
»Damit läßt sich schon etwas anfangen«, sagte sie leise.
Zu Übungszwecken hatte sie die Waffe vor etwa einem Jahr einige Male abgefeuert, so daß sie ganz gut damit umzugehen wußte. Sie ging zum Fenster. Ihr Krankenzimmer befand sich im vierunddreißigsten Stockwerk. Von hier aus reichte der Blick weit über die Celebes-See hinaus. Sie konnte sogar die Bohrtürme in der Ferne erkennen. Davon würde sie Abschied nehmen müssen. Die Zeit war vorbei, in der sie die große ›Alte Dame‹ war, dennoch würde sie nicht in die frühere Armut zurückkehren.
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