Silberband 077 - Im Mahlstrom der Sterne
wurde in die Frontscheibe eingeblendet. Mit den Fingern drehte er an den Kontrollen, und das Zielkreuz wanderte auf den Kopf des Eisriesen zu. Als das Raubtier noch etwa zwanzig Schritt von dem Semmler entfernt war, drückte Seem Allag ab. Das handlange Trommeldumgeschoss raste aus dem Lauf des Turmgeschützes. Der König der Eiswüsten schien gegen eine Wand gelaufen zu sein. Die vier Beine rutschten haltlos unter ihm weg, und sein massiger Kopf schien zu explodieren. Tot brach der Eisriese zusammen.
»Das gibt eine Menge gutes Fleisch«, sagte Seem Allag. »Ich gehe hinaus und hole uns ein Stück vom Nacken.«
»Das ist eine gute Idee, Seem«, lobte Layzot. »Aber sieh dich vor. Es ist ein weibliches Tier. Es könnte ein Junges haben.«
»Jetzt, zu dieser Zeit?«, wunderte sich sein Assistent.
»Wenn sie so weit aus dem Norden herunterkommen, geschieht das fast immer nur, weil sie Junge haben.«
»Ich hätte es wissen müssen«, gab Allag beschämt zu.
»Dein Hauptgebiet ist die Botanik. Es stört mich nicht, wenn du es nicht weißt. Und jetzt raus mit dir.«
Seem Allag nahm eine Vibrationssäge aus einem Wandschrank, zog die Kombination am Hals zu und stieg in die Schleuse. Wenig später sahen die Männer im Semmler ihn durch den Schnee stapfen. Die Kälte schien ihm nichts mehr auszumachen. Er bewegte sich vielmehr so, als genieße er sie richtig. Allag näherte sich dem Eisriesen sehr vorsichtig, bis er sich sicher war, dass er tot war. Dann setzte er die Säge an und trennte ein großes Nackenstück heraus.
»Da! Das Junge!«, rief Ingenieur Nym. Er zeigte auf einige Felsnadeln, die aus dem Eis hervorragten. Mit großen Sprüngen kam ein Jungtier heran, das etwa halb so groß war wie das erlegte Muttertier. Seem Allag war es weit überlegen.
»Betätigen Sie die Sirene!«, befahl Layzot dem Ingenieur. »Wir müssen Seem warnen.«
Nym gehorchte. Er beugte sich vor und ließ die Sirene aufheulen. Das Jungtier stutzte. Allag drehte sich um. Er sah die Bestie, ergriff das Fleisch und die Säge und hastete auf den Semmler zu, aber schon nach wenigen Schritten erkannte Layzot, dass er es nicht schaffen würde.
»Soll ich es auch abschießen?«, fragte Nym.
»Noch nicht«, wehrte der Biologe ab. »Jungtiere stehen unter Naturschutz.«
»Männer nicht?«
»Halten Sie den Mund!«
Allag drehte sich immer wieder um. Das Tier raste mit weiten Sätzen heran. Als es den Assistenten fast erreicht hatte, gab Layzot den Befehl, es zu erschießen. Doch es schien, als habe es gehört, welches Ende ihm drohte. Es rutschte auf allen vieren über das Eis. Allag gewann einen ausreichenden Vorsprung. Layzot und die Ingenieure hörten, wie er das in den wenigen Momenten schon tiefgefrorene Fleisch in die Schleuse warf und hinterher kletterte.
Das Jungtier wurde vom Blutgeruch der Mutter angelockt. Es wandte sich von dem Phäbäer ab, trabte zu dem toten Tier hinüber und schnupperte daran. Als Allag auf seinen Platz am Steuer zurückkehrte, riss das Junge die ersten Fleischfetzen aus dem Kadaver heraus.
»Die eigene Mutter«, sagte Nym erschauernd.
»Was wollen Sie?«, meinte Layzot. »Das Jungtier kann gar nichts anderes tun, wenn es nicht sterben will. Es ist in der Jagd noch viel zu unerfahren. Nur so kann es überleben.«
Seem Allag fuhr wieder an. »Wir haben für wenigstens zwei Tage zu essen«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Frisches Fleisch! Stellen Sie sich das vor! Wer kann von sich sagen, dass er schon eine solche Delikatesse gegessen hat?«
Ingenieur Nym leckte sich die harten Lippen. »Ich gestehe, dass ich neugierig bin«, sagte er, »wenngleich ich nicht weiß, ob ich es überhaupt essen kann. Es ist noch blutig.«
»Ihnen wird sich der Magen schon nicht umdrehen«, entgegnete Allag. »Oder vielleicht doch? Dann haben wir mehr zu essen.« Er lachte leise.
Die Semmler rollten weiter. Der Himmel klärte sich. Das war ein gutes Zeichen. Sie brauchten vorerst nicht mit neuen Schneestürmen zu rechnen. Aber erst mussten sie bis Extrem kommen. Danach wurde es erst wirklich schwierig. Dort begann größtenteils unerforschtes Gebiet, das sich bis in die polaren Regionen hinaufzog.
Dort oben lag ihr Ziel am Koordinatenkreuz 38/60, eines der geheimnisvollen Täler, die ihnen so viele Rätsel aufgaben. Layzot war davon überzeugt, dass sie es erreichen würden.
29.
»Da ist Extrem«, rief Seem Allag und deutete auf einen Stahlmast, der aus der Eiswüste herausragte. Ohne auf die Zustimmung Layzots zu
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