Silberband 081 - Aphilie
Mingus.
»In welches Versteck?«
»Wir sehen uns diese Robotfabrik an. Wir müssen vor der Polizei dort sein.«
»Ist das nicht zu gefährlich, Skalter?«
Mingus manövrierte den Gleiter aus der Parklücke heraus und nahm Kurs auf eine nach Süden führende Piste. Der wartende Polizist warf ihnen einen langen Blick nach, wandte seine Aufmerksamkeit aber schnell wieder dem Funkgerät und dem Interkom zu.
»Noch gefährlicher wäre es, zusammen mit der Polizei dort einzutreffen. Ich bin bereit, für meine Arbeit zu sterben, aber ich bin kein Selbstmörder.«
Nachdenklich nickte Jermon. »Ich auch nicht«, raunte er.
Weiße Wolken zogen über den Himmel. Das helle Licht und die scharfen Schatten der Gebäude huschten über den Gleiter der beiden Saboteure, der sich in einen Flugkanal einreihte und schneller wurde, aber nicht auffallend schnell nach Süden flog. Einem Meister der Tarnung wie Skalter Mingus passierten solche Pannen nicht mehr.
16.
Crystal Talonghs Wohnung war inzwischen wieder wie vor dem Kampf mit Jocelyn. Aber gewisse Teile der Terrasse und Winkel in den Wohnräumen hatten sich in eine Art Rüstkammer verwandelt; dort standen und lagen die Ausrüstungsgegenstände der Saboteure.
Die Jagd war schneller geworden. Das bedeutete, dass die Pausen kürzer und die Anstrengungen und die Aufmerksamkeit größer wurden. Und es bedeutete unvorhergesehene Zwischenfälle.
Nachdem Jocelyn und Crystal geduscht hatten, aßen sie schweigend und versuchten sich zu entspannen. Sie schliefen in verschiedenen Räumen. Crystal wurde von einem melodischen Türsignal geweckt. Die Tonfolge sagte deutlich, dass es sich um einen offiziellen Besucher handelte, also jemanden, der unten den Eingang benutzt hatte und mit dem Lift nach oben gekommen war.
Crystal wickelte ihr Haar zu einem Knoten im Nacken zusammen und warf sich einen halb durchsichtigen Morgenmantel über. Ein Blick nach draußen, ein zweiter auf die Uhr – es war früher Nachmittag.
Ihre linke Hand griff zum Türöffner, die rechte legte sich auf den Schalter, der innerhalb eines Sekundenbruchteils die Waffen vor dem Eingang auslösen würde, und auf dem Schirm sah Crystal vor der Tür einen Mann mittleren Alters. Er wirkte auf sie wie ein lebendes Skelett und stand vorgebeugt da.
Langsam öffnete sich die schwere Tür. Der Mann, in einen teuren Anzug gekleidet, eine schwere Waffe an der Hüfte, hob den Kopf und schaute Crystal kalt und gelassen an. »Sie sind Crystal Talongh.« Das war eine Feststellung.
»Richtig«, erwiderte sie, die Hand unverändert auf dem Waffenknopf. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
Der Mann trat einen Schritt näher auf sie zu und bohrte weiter, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Jocelyn, der Specht, wohnt bei Ihnen?«
Hinter Crystal erklang ein Geräusch. Sie sah, wie die Augen des Mannes abirrten und sich auf ein Ziel schräg hinter ihr hefteten.
»So ist es«, sagte Jocelyn und trat hinter der Mauerecke hervor. Er senkte den entsicherten Strahler, schob Crystal zur Seite und sprach weiter. »Kommen Sie näher, Daargun!«
Daargun! Crystal zuckte zusammen, nahm die Hand vom Waffenschalter und wartete, bis der Mann im Flur stand. Jocelyn schob seine Waffe in den Hosenbund und fragte: »Woher wissen Sie, dass ich hier …?«
Müde winkte Daargun ab. »Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit mir. Vor dem Haus wartet Reginald Bull. Er hat Ihnen Wichtiges zu sagen. Es geht um die Kranken, die Sie beide verfolgen. Außerdem eilt es.«
Crystal und Jocelyn warfen sich einen langen Blick zu. Reginald Bull persönlich? Eine Falle? Aber dieser Mann war unverkennbar Bulls Vertrauter, mit dem Jocelyn bereits verhandelt hatte. Der Specht nickte. »Eine Minute«, bat er sich aus.
»Ich warte. Sie sollten sich auch etwas weniger auffallend kostümieren, Lady.«
Daargun lehnte sich gegen die Wand, schlug die Beine übereinander und hustete röchelnd los. Kurze Zeit später kamen Crystal und Jocelyn zurück.
Sie schwebten mit dem Lift abwärts, durchquerten die Eingangshalle und schritten auf den großen Gleiter mit den verdunkelten Scheiben zu. Vier Wachen umstanden die Maschine, jeder der Männer blickte in eine andere Richtung. Um diese Zeit war der Verkehr nicht sehr dicht. Ein Posten öffnete die Tür. Zuerst stieg Daargun ein. Jocelyn und Crystal folgten. Licht fiel durch die einseitig verspiegelte Heckscheibe.
»Sie sind die Outsider, die nach den Reges suchen?«, erkundigte sich Bull und musterte sie durchdringend.
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