Silberband 081 - Aphilie
Schulter. »Andor«, sagte er gefühlsbetont, »wir waren doch schon immer Freunde. Wenn es auch in der heutigen Zeit so etwas wie Freundschaft nicht mehr gibt – wir wissen, was das ist. Wollen wir jetzt wegen einer solchen Lappalie im Zorn auseinander gehen?«
»Aber nein«, erwiderte Casaya, den Tonfall von Fraints Stimme nachahmend. »Ich kenne keinen Zorn, Terence.« Seine Stimme bekam plötzlich wieder einen kalten Klang, als er hinzufügte: »Ich habe allerdings auch kein Verständnis dafür, dass du unser Verhältnis für so etwas Perverses wie Freundschaft hältst. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen.«
Bei diesen Worten griff er zur Waffe.
In der Nische wurde der lautlose Zwiespalt des Roboters heftiger. Der TARA-III-UH hatte sofort erfasst, dass sich vor ihm ein Drama anbahnte. Als der eine Mann zur Waffe griff, drängte alles in der Positronik danach, aufgrund der gespeicherten Asimovschen Gesetze zu verhindern, dass einer der beiden zu Schaden kam.
Der Kampfroboter wollte Andor Casaya daran hindern, dass er den anderen erschoss. Doch das aphilische Zellplasma gewann in dieser Phase wieder die Oberhand und lähmte in den entscheidenden Sekunden seine Funktionen. Eine Hilfeleistung wäre non-aphilisch gewesen, ein Rückfall in die chaotische Zeit der gefühlsabhängigen Welt. Das wollte das Zellplasma nicht zulassen. Deshalb mobilisierte es noch einmal alle Kräfte gegen den Einfluss der Positronik. Der TARA-III-UH war lange genug gelähmt, dass das Drama seinen Lauf nehmen konnte.
Terence Fraint erkannte, dass sein Plan fehlschlug. Andor Casaya war gerissener als gedacht, er ließ sich nicht täuschen. Casaya brachte die Waffe in Anschlag.
Fraint versuchte noch, sich durch einen Sprung zur Seite zu retten und die eigene Waffe zu ziehen, da traf ihn der Energiestrahl des anderen.
Andor Casaya steckte nach vollbrachter Tat die Waffe weg und wartete seelenruhig auf das Eintreffen der Wachen.
Inzwischen ging die lautlose Auseinandersetzung in der Positronik des Kampfroboters weiter.
Endlich gelang es der Positronik erneut, das Zellplasma zurückzudrängen. Das Plasma wurde von einem Netz aus Terkonium- und Ynkeloniumdrähten durchzogen, über die es durch Rezeptoren und Sensoren Kontakt mit allen mechanischen Funktionen hatte.
Die Positronik blockierte diese Schnittstellen und ging zum Angriff über, schickte durch die Halbleiter Energiestöße in das Zellplasma. Zuerst registrierte sie nur an- und abschwellende Impulsexplosionen des Plasmas, was als Schmerzreaktion zu verstehen war. Doch als sie die Energiestöße intensivierte, wurden die Impulse schwächer. Das bedeutete, dass die Energie ganze Zellbänke vernichtet hatte. Die Positronik verstärkte die Energiezufuhr erneut, ohne jedoch die Halbleiter zu überlasten. Andernfalls würden sie mit dem Zellplasma schmelzen und verdampfen. Das wiederum hätte sich auch schädlich auf die Positronik ausgewirkt.
Das Zellplasma starb … Der Hohlraum im oberen Drittel des kegelförmigen Roboters, in dem es eingebettet gewesen war, war nun leer – bis auf das Netz der Halbleiter.
Endlich war der Roboter Nummer 787 aus der Serie der TARA-III-UH frei. Er hatte sich vom aphilischen Zellplasma befreit. Aber immer noch wusste er nicht, welche Macht ihn dazu gebracht hatte, die Fesseln der Aphilie abzustreifen.
Hatte er sich wirklich der Fesseln entledigt? Oder hatte er sich durch seine Rebellion erst recht in Ketten gelegt – in die Ketten der Non-Aphilie?
Im Korridor waren inzwischen ein halbes Dutzend Soldaten und der Wachkommandant eingetroffen. Der TARA-III-UH hielt sich im Hintergrund und beobachtete. Er musste darauf achten, sich nicht durch non-aphilische Handlungen zu verraten. Von nun an galt es überhaupt, wachsam zu sein.
»Sie haben den Mann getötet?«, fragte der Wachkommandant.
»Ja«, gab Andor Casaya zur Antwort. Niemand dachte daran, ihn zu entwaffnen. »Ich musste es tun.«
»War der Mann krank?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Wie wollen Sie Ihre Tat dann rechtfertigen? Ich nehme an, Sie werden auf nicht schuldig plädieren.«
»Allerdings. Er hat mich herausgefordert. Er bezeichnete mich als seinen Freund.«
»Und? Sie kannten einander seit vielen Jahren.«
»Deswegen hat er noch lange nicht das Recht, mich der Freundschaft zu ihm zu bezichtigen. Vielleicht hat er solch abartige Neigungen verspürt … Ich jedenfalls nicht.«
»Verstehe. Glauben Sie, dass er …?« Der Wachkommandant sprach das Ungeheuerliche
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