Silberband 081 - Aphilie
sich in seinem Kopf aus.
Andor Casaya stoppte den Geländewagen, tauschte mit dem alten Indonesier den Platz und fuhr weiter. Dabei plauderte er fast vergnügt drauflos.
»Wir vermuten schon seit einiger Zeit, dass du ein wichtiger Verbindungsmann zur OGN bist. Deshalb unternahmen wir nichts gegen dich. Du solltest uns eines Tages zu Roi Danton führen. Weißt du, wo er sich versteckt hält?«
Der Alte murmelte etwas Unverständliches.
»Du wirst schon sprechen, sobald das Wahrheitsserum voll wirksam wird«, fuhr Casaya im Plauderton fort. »Ihr glaubt, besonders klug zu sein, indem ihr eure Gefühle vor uns verbergt. Aber ebenso wie ihr Gefühle verbergen könnt, können wir Gefühle heucheln. Zugegeben, es fällt mir schwer, Schmerz wegen des Verlustes von Frau und Kind vorzutäuschen, sie waren nur mit Biomolplast überzogene Roboter. Aber selbst wenn es Menschen aus Fleisch und Blut gewesen wären … was gehen sie mich an? – Wo hält sich Roi Danton versteckt, Djak?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Alte mit schleppender Stimme.
»Du weißt nicht, wo der Führer der OGN ist?«, fragte Casaya noch eindringlicher.
»Nein.«
»Wohin wolltest du fliehen?«
»Zu einer Sammelstelle.«
»Zu einer Sammelstelle?«
»Etwa dreihundert Kilometer nördlich von Bandarja. An der südlichen Spitze des ehemaligen Kahau-Naturparks.«
»Treffen sich dort alle Flüchtlinge aus Bandarja?«
»Ja.«
»Wie viele sind es?«
»Etwa dreißig.«
»Werdet ihr dort erwartet?«
»Ja.«
»Und wohin soll es von da aus gehen?«
»Das erfahren wir an Ort und Stelle.«
»Stimmt es, dass alle bislang dezentralisierten Gruppen an einem einzigen Ort zusammentreffen sollen?«
»Ja.«
»Gibt es ein Versteck, in dem alle Mitglieder der OGN Unterschlupf finden können?«
»Ja.«
»Wo liegt das Versteck?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was weißt du überhaupt darüber?«
»Der Fluchtpunkt heißt Porta Pato. Es ist eine Zufluchtsstätte, wo wir vor den Aphilikern sicher sein werden. In dieser Festung werden wir endlich Ruhe vor unseren Jägern haben.«
»Liegt Porta Pato auf Borneo?«
»Nein.«
»Wo?«
»Ich weiß es nicht.«
Der Alte sagte die Wahrheit, dessen war Andor Casaya sicher. Hätte er einen Abwehrblock besessen, würde er auf die Fragen anders reagieren – mit Schüttelfrost, Schweißausbrüchen, und wahrscheinlich würde ihn das Verhör sogar umbringen. Doch der Alte war kein Geheimnisträger, deshalb besaß er keine Mentalsperre.
Casaya blickte auf seine Uhr. Das Wahrheitsserum wirkte nur noch höchstens zehn Minuten. Er überlegte sich die nächste Frage gut, bevor er sie stellte.
»Wenn der Stützpunkt nicht auf Borneo liegt, wieso flüchtet ihr dann ins Landesinnere?«
»Weil dort der einzige Zugang zu Porta Pato ist.«
»Handelt es sich um einen Transmitter?«
»Ja – um einen Transmitter.«
»Aber du weißt nicht, wo der Transmitter steht?«
»Nein.«
Casaya beendete das Verhör. Er war sicher, dass er von dem Alten keine Informationen mehr bekommen würde. Deshalb holte er das Mikroaufnahmegerät hervor, das er unter seinem zerschlissenen Gewand trug. Es war gleichzeitig Funkgerät mit Chiffrierer und Decoder. Er schickte das geraffte und chiffrierte Gespräch an die Zentrale. Zwei Minuten später kam die Antwort. Sie lautete kurz und bündig: »Weitermachen!«
Casaya hatte nichts anderes erwartet. Sein Auftrag war erst erledigt, wenn er Roi Dantons Versteck ausfindig gemacht hatte. Er musste seine Rolle als Immuner weiterspielen.
Er injizierte dem Alten ein zweites Serum, das die Erinnerung an die letzte halbe Stunde aus seinem Gedächtnis löschte. Danach setzte er ihn wieder hinter die Kontrollen. Der Geländewagen glitt langsam dahin. Casaya bediente die Funktionen, bis sich der Blick des Alten klärte.
Djak zwinkerte und wandte sich seinem Nebenmann zu. »Ich fühle mit dir, Andor«, sagte er mit weicher Stimme. »Der Verlust deiner Familie hat eine tiefe Wunde in dir hinterlassen. Aber das Leben muss weitergehen. Richte dich daran auf, dass unsere Opfer nicht umsonst sein werden. Eines Tages werden wir über die Aphilie siegen. Vielleicht wird dieser unmenschliche Zustand schon bald der Vergangenheit angehören.«
Was für einen Unsinn der Alte redete. Es wäre nur logisch gewesen, diesen widerwärtigen Narren sofort zu töten, aber es wäre nicht sinnvoll gewesen.
Casaya begnügte sich damit, den vom Schicksal geschlagenen Mann zu spielen. Das war schwer, weil es ihm
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