Silberband 081 - Aphilie
Organisation Guter Nachbar nannte sich die größte Immunengruppe der Erde, die von Roi Danton, Rhodans Sohn, angeführt wurde. Falls die Entführer tatsächlich der OGN angehörten, waren sie Freunde. Aber dafür fehlte noch der Beweis.
Zirkon Andra lutschte an seinem blutenden Finger. Wütend rief er: »Du siehst doch, dass er dir kein Wort glaubt, Jorge! Es wäre ohnehin unsinnig, etwas anderes zu erwarten. Am besten lassen wir sie gefesselt und werfen sie über dem Zielgebiet raus – mit Antigravs natürlich. Wir wollen sie ja nicht umbringen.«
»Das geht mir gegen den Strich, Zirkon«, entgegnete Jorge Berendsen. »Es ist würdelos, Menschen so zu behandeln.«
»Du vergisst, dass die beiden nicht nur eines der wenigen Liebespaare der Erde sind, sondern zugleich geübte Kämpfer«, erklärte Zirkon Andra. »Der Chef hat uns eingeschärft, vorsichtig zu sein.«
Jorge seufzte tief. »Ich gebe dir Recht, mein Junge. Wenn der Tiger überleben will, muss er schneller sein als seine Jäger.«
Andra hielt plötzlich einen Paralysator in der Hand. »Ich schieße bei der ersten verdächtigen Bewegung«, warnte er. »Also seid vernünftig, dann trennen wir uns in zwanzig Minuten als Freunde.«
Nein, das waren nicht die Worte und Handlungen von Aphilikern, entschied Sergio Percellar. »In Ordnung, Zirkon«, sagte er. »Wir verhalten uns friedlich, solange ihr uns keinen Grund gebt, euch zu misstrauen.« Er wandte den Kopf. »Einverstanden, Sylvia?«
Die junge Frau nickte knapp.
Berendsen trat hinter Sergio und schnitt mit einem Vibratormesser erst dessen Fußfesseln und dann die Handfesseln durch. Andras Waffe zielte nach wie vor auf Sergio. Gleich darauf fielen auch Sylvias Fesseln. Sie rieb sich die Handgelenke und lächelte verächtlich. »Wenn ich gewollt hätte, hielten wir jetzt den Paralysator in Händen«, erklärte sie. »Und ihr beide … Man wackelt nicht mit der Waffe herum, solange man nicht sicher ist, ob man Freund oder Feind vor sich hat.«
Andra holte tief Luft, aber Berendsen sagte: »Wir wissen, dass wir auf der gleichen Seite stehen. Trotzdem möchte ich nicht, dass ihr unserem Piloten zu nahe kommt. Ich hoffe, wir verstehen uns.«
»Wirklich nur noch zwanzig Minuten?«, fragte Sergio.
Andra nickte und antwortete spöttisch: »Falls euch langweilig wird, schaut aus dem Fenster und genießt die Landschaft.«
Während Sylvia die beiden Männer nicht aus den Augen ließ, rollte Sergio sich einfach bis an die Wandung und richtete sich in gebückte Haltung auf. Was er sah, ließ sein Herz schneller schlagen. Unter dem Gleiter dehnte sich eine endlose bewaldete Berglandschaft mit steilen Hängen, schmalen Tälern und sumpfigen Niederungen. Es waren tropische Wälder, das Pflanzenmeer dampfte vor Feuchtigkeit.
»Regenwald«, stellte Sergio beinahe andächtig fest. »Ist das wirklich Borneo?«
»Natürlich«, sagte Berendsen. »Was glaubst du denn?«
Percellar blickte starr auf den Dschungel hinab. Der Gleiter flog in geringer Höhe und hielt sich unterhalb der parallel verlaufenden Höhenzüge. Sobald er einen Berg überqueren musste, geschah das mit einem schnellen Sprung. Es war offensichtlich, dass die Besatzung nicht geortet werden wollte.
Sergio wandte sich ruckartig um. Sein erster Impuls war, den Männern Vorwürfe wegen der rauen Behandlung zu machen. Aber sie hatten gar nicht anders handeln können, weil sie nicht gewusst hatten, wie ihre ›Passagiere‹ reagieren würden. In erster Linie ging es um das Buch. Trailokanat hätte den Sachverhalt aufklären müssen, das aber wohl nur sehr einseitig getan.
»Akzeptiert!«, sagte Sergio mehr zu sich selbst. »Wir nehmen die Antigravs.«
Berendsen und Andra atmeten hörbar auf und steckten endlich ihre Waffen ein. Andra kramte in einigen Regalen und brachte ein einfaches Antigravaggregat mit Tragriemen zum Vorschein. Er half Sylvia, das Gerät auf ihrem Rücken festzuschnallen. Unterdessen zog Berendsen ein zweites Aggregat hervor und gab es Sergio. Er nickte anerkennend, als das Paar einen Funktionstest vornahm. Die beiden würden Roi Danton eine wertvolle Hilfe sein.
Kurz darauf hallte eine Lautsprecherstimme durch den Frachtraum. »Wir erreichen in zehn Minuten das Zielgebiet«, meldete der Pilot. »Wenn es so weit ist, schalte ich den Signalgeber ein. Viel Glück für unsere Freunde.«
»Danke!«, riefen Sylvia und Sergio wie aus einem Mund.
Andra zündete sich umständlich eine Zigarre an und rauchte genießerisch. Die
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