Silberband 081 - Aphilie
Rhodan nie persönlich kennen gelernt. Für sie war er schon so etwas wie eine Legende mit historischem Hintergrund, aber wie alle Immunen hofften sie auf eine Rückkehr des einstigen Großadministrators. Wenn er kam, würde er ein Mittel gegen die Aphilie mitbringen, und wenn er der Erde wieder eine neue Sonne geben musste.
Harst fütterte den Säugling. Jasmin wurde nicht einmal wach, als er den Jungen aus ihren Armen nahm. Sie schlief tief und fest, aber ihr Gesicht war noch blasser geworden. Das Fieber stieg.
»Sie stirbt«, sagte Vester, während Harst das Kind wickelte und ins Bett zurücklegte. »Ich sehe doch, dass sie stirbt.«
»Wir haben alles getan, was unter den Umständen möglich war. Mehr konnten wir nicht tun, ohne die Organisation zu gefährden. Falls Jasmin stirbt, müssen wir umgehend das Hotel verlassen. Sie bleibt zurück.«
»Du sprichst, als wäre sie schon tot.«
Harst nickte. »Du hast selbst gesagt, dass sie stirbt.«
Jasmin Grender erwachte noch einmal und drückte ihren Sohn an sich. »Es dauert nicht mehr lange«, hauchte sie, als wolle sie den Männern sagen, dass sie ihnen bald nicht mehr zur Last fiel. »Ich vertraue Ihnen meinen Sohn an, Ihnen und den anderen Immunen. Wie schade, dass ich sie niemals kennen lerne.«
»Ruhig bleiben, Jasmin«, sagte Vester fast zärtlich und legte ihr seine Hand auf die fiebernde Stirn. »Wir werden für den kleinen Perry sorgen. Wenn er erwachsen ist, wird die Welt wieder anders aussehen, und er wird uns dabei helfen, sie zu verändern. Wir werden ihm erzählen, wer seine Mutter war und wie tapfer sie gewesen ist. Aber nun versuchen Sie zu schlafen.«
Jasmin Grender lächelte ihm zu. »Danke, Vester. Auch Ihnen, Harst. Sie waren gut zu mir. Und nun will ich schlafen, auch wenn ich weiß, dass ich nie mehr aufwachen werde. Lebt wohl, meine Freunde … und lebe wohl, Perry …«
Sie drückte das Kind noch einmal an sich, dann schloss sie die Augen.
Sie schloss sie für immer.
Nur mit Mühe unterdrückte Vester seine Trauer und den Zorn, als die Frau gestorben war.
»Ich werde es ihnen heimzahlen, diesen Aphilikern! Bringe das Kind in Sicherheit, Harst, und warte nicht auf mich. Noch heute Nacht werde ich ins Stummhaus eindringen.«
Harst legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du darfst die Beherrschung nicht verlieren, Vester. Zu viel steht auf dem Spiel, vergiss das nicht! Wir haben eine Aufgabe und benötigen Informationen, keine toten Aphiliker. Außerdem konnten wir feststellen, dass nachts keine alten Leute aufgenommen werden. Du musst also bis morgen früh warten.«
»Aber dann brauche ich eine neue Einweisung; die erste ist wertlos geworden.«
»Du wirst dir schon eine beschaffen.«
In dem einen Bett lag die tote Jasmin Grender, im anderen das Baby.
»Wir werden auf dem Boden schlafen, oder ziehst du die Badewanne vor, Harst?«
»Ich lege mich zu dem Kind. Der Junge braucht die Wärme eines Menschen.«
»Dann mache ich noch einen Spaziergang. Vielleicht finde ich etwas Neues heraus.«
»Sei vorsichtig«, warnte Harst und zog sich aus. »Und komm nicht zu spät wieder. Du musst noch die Maske anlegen.«
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Vester und ging.
Wahllos streifte er durch die fast leeren Vorstadtstraßen und musste plötzlich erkennen, dass er unwillkürlich vor den Mauern des Stummhauses Nr. 23 angelangt war. Er sah, wie sich das Türchen in dem großen Tor öffnete und zwei uniformierte Männer heraustraten.
Die beiden kamen näher und unterhielten sich. Vester wich ein Stück zurück, bis er einen Hauseingang fand, in dem er sich verbergen konnte. Die Männer, vermutlich Angestellte des Stummhauses, mussten an ihm vorbeikommen, sofern sie nicht die Richtung änderten.
Sie sprachen so laut, dass er ihrer Unterhaltung folgen konnte.
»… wieder so einer, der sich drücken wollte. Aber sie haben ihn geschnappt. In zwei Tagen bringen sie ihn und die Alte sicher auch, die er mitgenommen hat.«
»Wie heißt der Kerl?«
»Caughens oder so ähnlich. Er erhielt die Einweisung und floh in die Berge. Heute haben sie ihn in Terence ins Gefängnis gesteckt, weil kein direkter Transport von dem Kaff aus ging, in dem sie ihn fingen.«
»Warte doch mal«, sagte der eine und blieb stehen, nur wenige Meter von Vesters Versteck entfernt. »Wie, sagtest du, hieß der Alte?«
»Kervin Caughens, glaube ich. Warum?«
»Den kenne ich, wohnt ganz in meiner Nähe. Habe schon immer darauf gewartet, dass er endlich bei uns eintrifft.
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