Silberband 083 - Kampf um die SOL
begehrenswert, aber ihr Verstand war nicht entfernt in der Lage, sich mit ihm zu messen. Sie hatte es nicht geschafft, etwa zwanzig verschiedene Meldungen der letzten Stunden zu einem Bild zusammenzufügen. Für ihn hingegen war alles ziemlich klar.
»Vergiss es!«, schnaubte er. »Ich muss weg.«
Seine Wohnung war eine kleine Festung, ausgerüstet vor allem mit Waffen und Nachrichtentechnik. Zehn ähnliche Behausungen hatte Jocelyn, sie waren fast über den ganzen Planeten verteilt. Nur er selbst wusste davon.
»Was hast du vor?«
»Ich gehe wieder auf die Jagd. Diesmal unter einem ausgesprochen reizvollen Aspekt.« Er warf das Glas über die Brüstung und drehte sich um. »Ich habe eine Aufgabe«, sagte er hart. Die Frau erschrak vor dem wilden Glanz in seinen Augen. »Meine Aufgabe ist es, Kranke und Verbrecher zu finden, zu jagen und hinzurichten.«
»Und …?«
In Wirklichkeit kannten sie sich gar nicht. Etwas Undefinierbares hatte sie zusammengetrieben und an diesen Ort gebracht. Die Frau konnte nicht wissen, was einen Outsider auszeichnete, was seine Beweggründe waren. Er selbst fühlte sich als Outlaw des 36. Jahrhunderts, der durch die Welt zog und nach seinen eigenen Gesetzen Richter und Henker gleichzeitig war.
»Ich habe vier Verbrecher gefunden, denke ich.« Die Gespielin interessierte ihn vorerst nicht mehr. »Du kannst hier bleiben. Wenn ich zurückkomme, entweder nach der Jagd oder in den Pausen, brauche ich deine Leidenschaft. Bis dahin tu, was du willst.«
Die Kranken umgaben alle zwischenmenschlichen Beziehungen mit einem Wust lächerlicher und zeitraubender Gefühle. Jocelyn der Specht freute sich, dass er gesund war. Er konnte sich keine schönere und zweckmäßigere Art vorstellen, menschliche Beziehungen zu haben, als diese: kurz, präzise, rein pragmatisch.
»Ich bleibe und warte«, erklärte die Frau.
»Ausgezeichnet. Bestelle ein Menü für uns! Sofort!«
Er sah ihr gedankenverloren nach, wie sie sich über die sonnenhelle Terrasse bewegte. Ihr Körper war schön, aber ihre Haltung wirkte betroffen. Sie ahnte, dass sich die Verhältnisse geändert hatten. Außerdem jagte ihr der ›veränderte‹ Jocelyn Angst ein. Seine Fähigkeit, sich von einer Sekunde zur anderen ausschließlich auf die neue Aufgabe zu konzentrieren, hatte sie erschreckt.
Für ihn gab es nur noch eine Frage. An welchem Punkt sollte er ansetzen und mit der Jagd beginnen? Er spürte das Fieber, das einen Jäger dazu brachte, weit über sich hinauszuwachsen. Er kannte dieses Gefühl, das seinen Körper durchströmte wie flüssiges Feuer, und er liebte es.
Nano Balwore wusste, dass sie keine Schönheit war. Schlank und sehnig, hatte sie es wohl am schwersten, einen Mann von der Erde zu überzeugen, dass das Leben an ihrer Seite auf Ovarons Planet lebenswert sein würde.
»Nun ja«, murmelte sie und schaute zu, wie Marhola aus dem Swimmingpool kletterte und sich abtrocknete. Sie setzt sich unnötiger Gefahr aus, dachte Nano. Aber eigentlich war es gleichgültig, ob sie sich in den Zimmern des gemieteten Bungalows oder außerhalb aufhielten.
Nayn Taibary betrat den Raum. Sie trug einen dünnen Morgenmantel. »Das Frühstück ist fertig. Kommst du?«
»Eigentlich erwarte ich die Polizei. Nicht, dass sie uns suchen – eher eine Routinekontrolle.«
Sie hatten in den ersten Morgenstunden am Stadtrand das Bungalowhotel gefunden und vier Einzelzimmer gemietet. Der Gleiter stand zwei Kilometer abseits inmitten vieler anderer Fahrzeuge.
Nano und Nayn setzten sich an den Tisch. Das Hotel war nicht gerade verwahrlost, aber deutlich erkennbar reparierten Roboter und Geschäftsleitung nur das Notwendigste. Andererseits war das Essen reichhaltig, und der Kaffee roch gut. Ununterbrochen liefen auf der Bildwand News aus dem Medaillon-System.
»Inzwischen sollten wir uns über unser weiteres Vorgehen klar sein«, sagte Marhola, die sich in den dritten Sessel fallen ließ.
»Wir laufen durch die Straßen und fragen, bis wir jemanden finden, der uns den Weg zu Roi Danton zeigt.« Nayn grinste schräg.
Marhola el Fataro setzte sich als Letzte an den Tisch und goss sich Kaffee ein. »Wir trennen uns«, schlug sie nach dem ersten langen Schluck vor. »Bisher hatten wir gemeinsam Glück, aber wir dürfen das nicht überstrapazieren.«
Sie frühstückten mit einigermaßen gutem Appetit. Das Geld, mit dem sie bezahlt hatten, war vierzig Jahre alt. Es galt immer noch.
»Ich halte viel von demokratischer Abstimmung«, sagte
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