Silberband 090 - Gegner im Dunkel
vergleichen.«
»Den muss ich kennen lernen«, sagte ich. »Du hast doch nichts dagegen, dass ich Verbindung zu diesem Supermutanten aufnehme, Perry? Und du willst nicht wirklich, dass wir uns aus der Suche nach dem Grauvater heraushalten.«
Perry wandte sich an die beiden Feyerdaler: »Wie würden Sie sich dazu stellen, wenn ich die Mutanten in den Einsatz schickte? Würden Sie uns unterstützen, auch wenn wir ohne die Zustimmung Harreraths und im Geheimen operieren?«
Hommersolth und Kordahl tauschten einen langen Blick. »Da so viel auf dem Spiel steht«, sagte Hommersolth schließlich, »sollten wir uns nicht nur auf einen Mutanten verlassen. Mit uns können Sie rechnen.«
»Dann hast du sicherlich nichts dagegen, wenn ich mit meinen Nachforschungen sofort beginne«, sagte ich.
»Nicht so eilig, Gucky«, versuchte Perry meinen Eifer zu bremsen. »Wir müssen die Lage erst besprechen und die anderen Mutanten aus den SOL-Zellen heranziehen.«
»Beratet ihr inzwischen«, erwiderte ich. »Ich weiß aus Coopters Gedanken, wo der Kinderfinder sich aufhält.« Bevor Perry einen Einwand vorbringen konnte, entmaterialisierte ich. Vorher hatte ich noch schnell Kordahls Translator an mich genommen.
Bericht Mausbiber Gucky
Ich hatte das Bild deutlich in Coopters Gedanken gesehen: ein verschachtelter Gebäudekomplex mit vielen Laubengängen, verwahrlosten Gärten auf allen Etagen und Bergen von Müll. Dazu muffige Räume, an Mönchsklausen oder Gefängniszellen erinnernd, und ein Landeplatz für den Versorgungsschweber der Feyerdal-Fürsorge, der den hier hausenden Subjekten zweimal täglich das Nötigste zum Leben lieferte. Das war einer der Treffpunkte der so genannten Winterkinder, wohin sich der Kinderfinder zurückgezogen hatte. Dorthin teleportierte ich.
Ich materialisierte in einem Laubengang, den Coopter sehr plastisch vor seinem geistigen Auge hatte entstehen lassen. Von hier aus konnte ich in einen Innenhof hinabblicken. Zwischen Unkraut und Gebüsch krochen verwachsene Gestalten herum, die nur entfernt an Feyerdaler erinnerten.
Keine drei Meter von mir entfernt erblickte ich einen Feyerdaler mit krummen Beinen, viel zu kurzen Armen und verdorrt wirkenden Gehörnerven. Seine Augen waren nur erbsengroß. Er sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte.
»Was hast du gesagt, Kumpel?«, fragte ich so leise, dass er nicht meine Stimme, sondern nur die Übersetzung des Translators hörte.
»Was bist denn du für einer?«, fragte er. »Hab dich gar nicht kommen hören. Nur der Knall hat mir verraten, dass da jemand sein muss.«
Er war blind. Und der ›Knall‹, von dem er sprach, war durch die Luftverdrängung bei meiner Materialisation entstanden.
»Ich habe Schluckauf«, sagte ich.
»Den Akzent habe ich doch schon gehört.« Er reckte seine platte Nase in meine Richtung. »Auch der Geruch ist unverkennbar. Du bist Danjsher. Ich dachte, du verkriechst dich im Keller?«
»Ja, schon …«
Ich hatte die ganze Zeit über auf die Gedanken des blinden Winterkindes gelauscht. Sie waren sehr aufschlussreich, im gleichen Maße aber deprimierend.
Danjsher hat versprochen, sich unserer Probleme anzunehmen, wenn wir ihm helfen … Minderkinder sind hinter ihm her – wir werden ihnen ordentlich einheizen … Was kann ich dafür, dass meine Mutter als Schwangere an einer Polarexpedition teilgenommen hat … Ja, Verbrecher werden als Kranke behandelt und wir wie Verbrecher … Hat Kälte etwas mit mentaler Strahlung zu tun? Warum sind Winterkinder durchweg Krüppel? Möglich, dass es im ewigen Eis Strahlungszonen gibt, die die Erbanlagen der Ungeborenen verändern … Verdammt, warum wird das nicht erforscht?
Ähnliche Gedanken stürmten von überall auf mich ein. Mir war unverständlich, dass die Feyerdaler das Problem der Winterkinder ignorierten.
»He, Danjsher!«, rief einer, der soeben aus einem Seitengang kam und völlig normal aussah. »Versteck dich besser wieder im Ballsaal.« Auf diesen Satz folgte das Gedankenbild eines Gewölbes, das nur durch ein Labyrinth zu erreichen war. »Minderkinder sind bereits in unseren Palast eingedrungen.«
Über mir erklang ein pfeifendes Geräusch. Ein großer Lastenschweber ging auf dem mit Pamphleten gegen Harrerath beschmierten Landefeld nieder. Überall setzten sich Winterkinder dorthin in Bewegung.
Ich memorierte den ›Ballsaal‹ und teleportierte. Dort materialisierte ich inmitten eines Chaos aus Pulten, Podien, verschieden geformten Tischen und
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