Silberband 091 - Die Terra-Parouille
Gefangenen mit einer geringen Menge an Konzentratnahrung versehen. In der Station gab es nicht viel Proviant – nur das, was Kulliak Jon selbst benötigte, und darüber hinaus ein wenig Reserve. Es fiel dem Siganesen jedoch nicht schwer, sich von seinen Vorräten zu trennen.
»Die Katastrophe hat den Überlebenden eine Menge unbeantworteter Fragen hinterlassen«, sagte Walik. »Haben Sie sich jemals damit beschäftigt?«
»Manchmal«, antwortete Kulliak Jon. »Ziemlich oberflächlich aber nur, fürchte ich.«
»Warum sind die Menschen verschwunden? Und wohin? Wo im Universum befinden wir uns jetzt? War die große Katastrophe wirklich ein reines Naturereignis, oder ist sie Teil eines groß angelegten Plans, von dem wir keine Ahnung haben? Wem gehören die merkwürdigen Flugkörper, die ab und zu auftauchen und spurlos wieder verschwinden?«
Der Siganese seufzte. »Ich weiß, was Sie meinen. Aber die zweiundvierzig Jahre Einsamkeit haben mich denkfaul gemacht. Ich hoffte, die Erklärung würde sich eines Tages von selbst einstellen.«
»Vielleicht tut sie das auch«, antwortete Walik. »Aber bis dahin sind einige von uns vor Neugierde gestorben.«
»Das ist der Unterschied zwischen Terranern und Siganesen. Ihre Kurzlebigkeit fördert Wissbegierde und Tatkraft. Wir hingegen haben Zeit, alles abzuwarten.« Dabei klang es ganz und gar nicht so, als halte Jon das Los der Terraner für bedauernswert. Im Gegenteil, er machte einen recht unglücklichen Eindruck.
»Haben Sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es in dieser Station Informationen gibt, mit denen sich wenigstens ein paar Fragen beantworten lassen?«, fragte Kauk.
»Wie meinen Sie das? Wegen des Fremden …?«
»Ist er wirklich ein Fremder? Ich meine: Muss er das sein? Diese Station hat sich unmittelbar nach der Katastrophe von selbst wieder angeschaltet. Sieht das nicht aus wie ein Ergebnis langfristiger Planung? Und wer hat den Vorgang ausgelöst? NATHAN ist – für unsere Begriffe – tot. Sie sagen, dass die Rechner in dieser Station schon im Jahr 3540 desaktiviert waren. Wer also hat Palatka wieder zum Leben erweckt? Könnte es nicht irgendein Effekt, ein Mechanismus, irgendetwas gewesen sein, was schon von allem Anfang an – oder wenigstens seit der Stilllegung – in dieser Station auf den Augenblick der Entscheidung wartete?«
»Und dieses Etwas … wer sollte es hier installiert haben?«, erkundigte sich Kulliak Jon voller Zweifel.
»Ich weiß es nicht. Aber einer müsste uns Auskunft geben können.«
»Wer?«
»Der Zentralrechner.«
Der Siganese wollte antworten, dass er den Zentralrechner in jüngster Zeit mehrmals als einen Ausbund an Ignoranz kennen gelernt hatte. Aber dann ging ihm auf, dass er eine ganz andere Art von Fragen gestellt hatte – Fragen zur augenblicklichen Lage, zu aktuellen Vorgängen. Es war durchaus denkbar, dass der Zentralrechner über weiter zurückliegende Zusammenhänge besser Bescheid wusste.
»Sie machen mich neugierig«, bekannte Jon schließlich. »Wollen Sie den Rechner befragen?«
»Wenn es ohne weitere Schwierigkeiten möglich ist, ja.«
Baldwin Tingmer hatte die Unterhaltung mitverfolgt. Jetzt meldete er sich zum ersten Mal zu Wort. »In jeder großen Kontrollstation gibt es einen Raum, in dem autorisierte Personen einen Dialog mit der Zentralpositronik führen können. Wie steht es damit in Palatka?«
»Es gibt diesen Raum«, bestätigte Jon.
»Führen Sie uns dorthin!«
»Noch vor dem Fahrzeughangar?«
»Ja.«
Der Siganese zögerte nur einen Augenblick lang. »Richten Sie sich von jetzt an nach den tiefvioletten Markierungen!«
Sie hielten vor einer Tür aus zwei violett leuchtenden Lumineszenzplatten. Kulliak Jon, der noch auf Waliks Schulter saß, rief: »Öffne dem Wächter!«
»Ihre Berechtigungsquote?«, antwortete eine Stimme – dem Klang nach dieselbe, die aus der Rufsäule gesprochen hatte.
»Alpha blau.« Zudem hatte der Siganese ein winziges Gerät aus der Tasche gezogen, wahrscheinlich einen Impulsgeber.
»Ihre Quote wird anerkannt. Übernehmen Sie die Verantwortung für die Subjekte in Ihrer Begleitung?«
»Ich übernehme die volle Verantwortung.«
»Mehrere Subjekte sind bewaffnet. Ist Ihnen das bekannt?«
»Es ist mir bekannt.«
»Der Wächter und seine Begleitung dürfen eintreten!«
Beide Türhälften glitten auseinander. Dahinter lag ein höchstens zwanzig Meter langer Korridor, der von bläulich violetten Leuchtplatten kaum hinlänglich erhellt
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