Silberband 102 - Aufbruch der Basis
Lufken zu suchen.
Plondfair konnte deutlich hören, was die Priester sagten.
»Was macht Sie so sicher, dass er hierherkommen wird, Gainth?«, fragte einer von ihnen. »Er kann sich denken, dass wir auf ihn warten. Es wäre klüger, wenn er versuchen würde, einen der anderen Monde zu erreichen, die zu den Stationen der Reise gehören. Dort wäre das Risiko eines Kontaktversuchs für ihn erheblich geringer.«
Gainth lachte auf. »Jeder von uns würde es auf diese Weise versuchen. Der Bursche ist jedoch bei all seiner Intelligenz von einem hartnäckigen Trotz erfüllt, der ihn geradewegs auf ein Ziel losgehen lässt. Außerdem ist er stolz, um nicht zu sagen, überheblich. Er fühlt sich allen anderen Wyngern überlegen. Das macht ihn übertrieben selbstbewusst.«
Plondfair errötete, als er den Kryn so reden hörte.
»Trotzdem wird er nicht geradewegs durch das Tor spaziert kommen«, wandte einer von Gainths Begleitern ein.
»Vermutlich nicht. Vergesst aber nicht, dass er hier fremd ist. Er wird einige Zeit brauchen, bis er herausgefunden hat, wo die Kranken sich befinden. Die Zeremonie dauert noch sechs Stunden, und irgendwann in diesem Zeitraum wird er hier erscheinen.«
»Wie gehen wir vor, Gainth?«
»Wir treffen keine besonderen Maßnahmen, das würde ihn nur misstrauisch machen. Er soll glauben, dass seine Flucht aus dem Raumschiff bislang nicht bemerkt wurde. Wir verteilen uns auf den Sockeln in der Nähe des Eingangs. Perwain und ich bleiben im Vorraum. Gisainder wartet vor dem Tempel.«
»Wie erkennen wir ihn?«
»Er ist der größte Wynger, den ihr jemals gesehen habt. Niemand darf sich in einen Kampf mit ihm einlassen. Benutzt eure Lähmwaffen, sobald ihr sicher seid, dass ihr ihn nicht verfehlen könnt.«
»Vielleicht ist er schon hier.«
»Das ist sehr unwahrscheinlich«, gab Gainth zurück. »Außerdem würden wir ihn dann erwischen, wenn er versucht, den Tempel wieder zu verlassen.«
Sie entfernten sich, und Plondfair konnte nicht mehr verstehen, was sie sagten. Gainths Worte hatten ihm jedoch bewusst gemacht, dass er in der Falle saß. Das hieß – einen Ausweg gab es vielleicht doch. Warum sollte er nicht jenen Weg benutzen, durch den Gainth und die anderen den Tempel betreten hatten? Der Gedanke war verlockend, denn auf diese Weise konnte er zugleich herausfinden, wie es unter den Tempeln aussah.
Das Trommeln und die Gesänge endeten abrupt. Die nachfolgende Stille wirkte unheimlich. Plondfair nahm an, dass auch diese Maßnahme die Kranken beeindrucken und in euphorische Stimmung versetzen sollte. Vielleicht führte dieses Schauspiel in dem einen oder anderen Fall zu einer Heilung durch Autosuggestion, mehr steckte nicht dahinter.
Was er insgeheim schon geargwöhnt hatte, schien sich zu bestätigen. Es gab keine Wunder. Das Alles-Rad, das sich angeblich der Kranken annahm, hatte wahrscheinlich noch nie eine Heilung herbeigeführt. Diese Feststellung war umso ernüchternder, als sie in die Frage mündete, ob die Berufenen, die nach Välgerspäre gebracht wurden, mit einer ähnlichen Enttäuschung rechnen mussten.
Plondfair unterbrach seine Überlegungen, denn er sah, dass zwei Kryn die erste Liege zu den Aufbauten rollten.
»Das ist der Lufke Blatair!«, rief ein Priester von seinem Sockel. »Er erbittet deine Hilfe, Alles-Rad.«
Die Kryn, die die Liege geschoben hatten, zogen sich respektvoll zurück. Ein Lichtstrahl geisterte von der Decke herab und hüllte den Kranken ein. Die Flüssigkeit in den Schalen entzündete sich.
Plondfair sah außerdem, dass sich eine der Kuppeln öffnete. Das war ein Vorgang, den weder die Priester noch die Kranken erkennen konnten. Er hielt unwillkürlich den Atem an, denn er ahnte, dass er Zeuge eines Ereignisses wurde, das nicht zum offiziellen Ritus gehörte.
Aus der Öffnung der kleinen Kuppel glitt ein schlangenähnliches Gebilde hervor, ein stählerner Tentakel, dessen Ende kugelförmig verdickt war. Plondfair sah, dass das Ding auf die Liege mit dem Kranken zuschoss. Es war eine blitzschnelle Bewegung, die deutlich machte, dass der Tentakel von Anfang an nur dieses Ziel gekannt hatte. Das Kugelende schlüpfte unter die Decke.
Ein Diagnosegerät!, vermutete Plondfair. Eine bessere Erklärung kam ihm nicht in den Sinn.
Das war die Vorbereitung für ein neues ›Wunder‹, dachte er bitter. Auf diese Weise wurden wahrscheinlich bereits zu Beginn der Pilgerreise jene Kranken aussortiert, die gerettet werden konnten. Nicht das Alles-Rad war
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