Silberband 102 - Aufbruch der Basis
Schiffsbibliothek hatte kommen lassen. Ihre Wissbegier schien keine Grenzen zu kennen.
Sie löschte die Folie und sah lächelnd zu Danton auf. Als er ihr Lächeln nicht erwiderte, erhob sie sich. »Was ist passiert?«, wollte sie wissen.
»Wer bist du wirklich?«, fragte Roi ernst.
Ihre Augen weiteten sich. »Wie viel hast du herausgefunden?«
Danton zog seine Hand hinter dem Rücken hervor und übergab ihr den Bildausdruck, den er mitgebracht hatte. Die Frau sah die Wiedergabe lange und nachdenklich an, dann ließ sie sich wieder auf den Sessel sinken.
»Das … das …« Ihre Stimme versagte.
»Das ist ein Artgenosse von dir. Ohne Zweifel.«
»Woher hast du das?«
»Das weißt du genau!«, sagte Danton ärgerlich.
»Ich habe keine Ahnung.« Dunja Varenczy blickte erschrocken auf. »Stammt es etwa von hier?«
Danton nickte grimmig. »Das Bild wurde aus einer Funksendung extrahiert.«
»Es muss ein Irrtum sein.« Sie stöhnte.
»Du bist von Tschuschik aus auf die Erde gekommen«, sagte Danton scharf. »Ich wüsste zu gerne, warum. Die Zusammenhänge, die sich abzeichnen, sind geradezu überwältigend. Oder willst du es als einen Zufall bezeichnen, dass du dich an Bord der BASIS befindest?«
»Ich verstehe das alles nicht«, beteuerte Dunja, und dann schwieg sie verbissen.
11.
Während Plondfair die Treppe hinabstürmte, fragte er sich, ob es womöglich nicht doch klüger gewesen wäre, sich den Verfolgern zu stellen. Die Kryn brauchten über Funk nur alle Priester zu informieren, dann konnten sie ihn einkreisen und festnehmen. Er hatte sich selbst in eine Falle manövriert. Trotzdem hielt er nicht inne.
Die Treppe mündete in einen breiten Gang, unter dessen Decke dicke Röhren in das Labyrinth führten. Die hellen Wände waren mit Farbmarkierungen versehen, die nur Eingeweihten ihren Sinn offenbarten. Verteilerkästen hingen auf beiden Seiten. Der Boden war mit einer fugenlosen Kunststoffschicht überzogen.
Oben auf der Treppe entstand Lärm, jemand schrie Befehle. Plondfair hastete durch den Korridor. Bislang befand er sich im toten Winkel; die Wynger, die hinter ihm her waren, konnten ihn noch nicht sehen. Mit langen Sätzen bog er in einen Seitengang ab.
»Plondfair!«, tönte Gainths Stimme aus verborgenen Lautsprechern. »Sie haben keine Chance. Geben Sie auf, damit Sie sich nicht die Berufung verscherzen.«
Plondfair kam an Türen vorbei, aber er wagte nicht, in einen der dahinter liegenden Räume zu fliehen, denn er konnte nicht sicher sein, ob es einen zweiten Ausgang gab. Er hoffte, eine Halle zu erreichen, von der aus Gänge in mehrere Richtungen führten. Von dort konnte er vielleicht entkommen, zumal er nicht glaubte, dass es unter den Tempeln eine komplexe Beobachtungsanlage gab.
Plondfair bog an der nächsten Kreuzung abermals ab. Diesmal wandte er sich nach links. Wegen seiner körperlichen Verfassung machte er sich keine Sorgen. An Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit konnte er es mit jedem Wynger aufnehmen.
»Hier spricht Gainth. Sie sind ein Narr, Plondfair. Geben Sie auf, dann ist diese Angelegenheit vergessen!«
Der Lufke bezweifelte nicht einmal, dass der Kryn diese Worte ehrlich meinte. Gainth konnte nicht daran gelegen sein, dass die Organisation der Kryn ins Gerede kam. Dabei kam es nicht darauf an, ob die Priester davon wussten, dass der metaphysische Anspruch der Pilgerreise von Mond zu Mond ein ausgemachter Schwindel war. Bewusst oder unbewusst arbeiteten sie für eine geheimnisvolle Macht im Hintergrund. Für Plondfair hatte es eine niederschmetternde Erkenntnis bedeutet, Angehöriger einer manipulierten Zivilisation zu sein.
Als er die Berufung erhalten hatte, war er von einem überwältigenden Glücks- und Triumphgefühl beflügelt worden, nun war nichts mehr davon übrig. Womöglich sollten die kräftigsten, begabtesten und intelligentesten Wynger neutralisiert werden, damit niemand gegen die Macht im Hintergrund rebellieren konnte. Dieser Vermutung widersprach jedoch Plondfairs Erfahrung, dass er und andere Berufene von Kindheit an konditioniert worden waren. Niemand konnte daran interessiert sein, potenzielle Gegner zu stärken, nur um sie letztlich umzubringen. Logischer erschien, dass man von ihnen etwas erwartete, wozu normale Wynger nicht in der Lage gewesen wären. Aber was?
Von den Verfolgern war im Augenblick nichts zu hören, aber jeden Augenblick konnten Kryn vor ihm auftauchen. Der Lufke war überzeugt davon, dass es hier unten Spezialfahrzeuge gab.
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