Silberband 103 - Facetten der Ewigkeit
halte blutiges Gericht über euch, wetterte die mentale Stimme der Duade.
»Was ist deine Passion, Goran?«, fragte Fanzan-Pran, der zu den Raumfahrern gehörte, die seit Neuestem das Wort auf Alkyra-II führten.
»Ich bin Lehrer«, antwortete Goran-Vran. »Ich überwache die Entwicklung der Kinder, die noch nicht die entelechische Denkweise beherrschen, und gebe ihnen Lebenshilfe. Sie haben es in dieser Zeit sich überstürzender Ereignisse besonders schwer, sich anzupassen.«
»Dem widerspreche ich«, erwiderte Fanzan-Pran. Wie alle loowerischen Raumfahrer trug er einen lückenlosen Panzer aus neuneckigen Körperplatten. »Unsere wirkliche Mentalität zeigt sich bei euch auf Alkyra-II nicht so richtig. Ihr seid weltfremd. Ich glaube, ich muss dir noch Lebenshilfe geben, Goran.«
»Gleniß-Gem hat mich als Ersatz für Jarkus-Telft in die Turmmannschaft berufen«, sagte Goran-Vran stolz. »Das ist mir Bestätigung genug, dass ich keine Fehler begangen habe.«
Durch die Einberufung in die Neunturmanlage war er Ranghöchster geworden. Ihm oblag es, die Verteidigung der Stadt zu organisieren. An sich war das gar keine schwierige Aufgabe, denn die Energieschirme verhinderten ein Eindringen der Monaden.
Aber die Duade hatte Loower gefangen genommen und benutzte sie als Geiseln. Darauf musste Goran Rücksicht nehmen. Er hatte jedenfalls genug zu tun und konnte sich nicht nur dem Raumfahrer widmen, der sich hier wie ein Türmer aufspielte und mit seinen Truppen die Stadt besetzt hatte.
»Euch fehlt der kosmische Überblick«, sagte der Raumfahrer. »Du magst tüchtig sein, Goran, aber auf Alkyra-II verschwendest du deine Fähigkeiten. Das Leben hier ist nichts für dich. Und wenn wir das Objekt erst gefunden haben, wird Alkyra-II zu völliger Bedeutungslosigkeit absinken. Wenn ich dich zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft machen will, muss ich dein Weltbild zerstören. Ich weiß, du schätzt mich nicht, aber du wirst deine Meinung ändern, sobald du aufgeklärt bist. Hast du dir noch keine Gedanken darüber gemacht, warum die Raumschiffe, mit denen wir auf Alkyra-II landeten, völlig identisch mit den Gebäuden eurer Stadt sind?«
»Ich finde daran nichts Ungewöhnliches.«
»Du hast auch noch nie darüber nachgedacht, warum die untersten Etagen dieser sogenannten ›Gebäude‹ unbewohnbar sind? Du findest nichts dabei, dass dein Kommandostand das exakte Ebenbild einer Raumschiffszentrale ist? Und dass es in den Unterkünften und den anderen Räumlichkeiten Einrichtungen gibt, die keinen Nutzen für das ständige Leben auf einer Welt haben? Nimmst du das alles ohne Weiteres hin?«
»Du willst sagen, dass unsere Häuser in Wahrheit Raumschiffe sind?«, fragte Goran-Vran nach einer Weile.
»Meine Leute und ich sind hier, um eure Raumschiffe startklar zu machen«, bestätigte Fanzan-Pran. »Das erschüttert dein Weltbild, nicht wahr? Eure Stadt besteht aus jenen Raumschiffen, mit denen eure Vorfahren in einer wichtigen Mission auf dem Planeten gelandet sind. Diese Mission ist beendet. Da wir jede verfügbare Einheit für eine schlagkräftige Flotte benötigen, werden alle Raumschiffe von Alkyra-II abgezogen. Es ist noch nicht einmal sicher, ob Gleniß-Gem mit einer Mannschaft in der Neunturmanlage zurückbleiben wird.«
»Er ist der Türmer und wird die Flotte befehligen, die das Objekt für unser Volk zurückerobern soll!«, sagte Goran-Vran.
»Gleniß-Gem hat versagt. Inzwischen hat Hergo-Zovran den Oberbefehl übernommen. Er wird bald auch dein Türmer sein.«
Goran-Vran versagte die Stimme. Für ihn war es unvorstellbar, dass ein Loower derart gegen die Tradition verstoßen konnte. »Was du sagst, ist ungeheuerlich«, brachte er endlich heiser hervor.
»Gleniß-Gem ist wenigstens weise genug, seine Fehler einzusehen. Aber vermutlich weiß er selbst noch nicht, welchen Vergehens er sich schuldig gemacht hat, als er die Tradition euch gegenüber mystifizierte.«
»Du urteilst unrecht über den Türmer!«
»Ich will gar nicht urteilen«, behauptete der Raumfahrer. »Ich decke nur Tatsachen auf und hebe deine romantische Vorstellung von der Bestimmung unseres Volkes auf ein realistisches Niveau.«
»Ich denke entelechisch!«
»Gewiss doch. Aber es gibt auch da Unterschiede.« Fanzan-Pran ließ sich in einen der Kontrollsessel sinken. »Du siehst die Geschichte unseres Volkes völlig verzerrt, weil du nur auf vererbtes Wissen angewiesen bist. Niemand hat dich aufgeklärt, damit du dieses Wissen
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