Silberband 106 - Laire
fester um das Auge. Ich hob es instinktiv vors Gesicht, bereit, den distanzlosen Schritt in sicherere Bereiche zu tun.
Aber dazu bestand kein Grund. Wo die Wandung des Energietunnels geplatzt war, führte der Schlauch dennoch weiter. Ich konnte mir das nur so erklären, dass von einem anderen Punkt aus ebenfalls ein Energieschlauch gewachsen war und beide sich vereint hatten.
Mir schossen die wildesten Spekulationen durch den Kopf. Die liebste davon war mir, dass sich aus der Klause eine Verbindung zu einem Hyperraumdepot der Erbauer des Auges gebildet hatte. Dort würde ich ungeahnte Schätze und ein Arsenal fantastischer Geräte finden.
Die Wirklichkeit sah anders aus. Als ich durch die Schlauchverlängerung schritt, erreichte ich Klause zwei. Ich erkannte die Paratender, die mich erwarteten.
»Woher kommen Sie, Boyt?«, fragte Steve Norquund verblüfft. »Wir haben Ihre Annäherung gespürt, das jedoch für eine Sinnestäuschung gehalten.«
»Ich komme aus Klause eins«, antwortete ich. »Den Weg, den ich gegangen bin, können alle benützen. Von nun an gibt es eine permanente Verbindung zwischen beiden Klausen …«
Die erschrockenen Gesichter der Paratender ließen mich verstummen. Was immer sich hinter mir abspielte, es entsetzte sie.
Ich drehte mich um und sah in der Tat ein aufregendes Schauspiel. Für mich war das aber kein Grund zur Besorgnis. Im Gegenteil. Es war ein erhebender Anblick, zu sehen, wie sich die Öffnung des Energieschlauchs rascher vergrößerte, der Tunnel selbst sich verkürzte, bis er nicht mehr vorhanden war und ich Mandrian und seine Crew aus Klause eins auf mich zukommen sah.
Beide Hyperraumnischen verschmolzen miteinander. Die Ränder der Verbindungsöffnung zuckten in einer explosionsartigen Spontanreaktion zurück, weiteten sich schneller, als das Auge folgen konnte, und die Nischen gingen nahtlos ineinander über.
Das war die Geburt meiner ersten Superklause. Eine Hyperraumklause mit dem Volumen von zweien.
War das ein Zufall, zustande gekommen, weil sich die beiden Nischen an einander nahe liegenden Hyperraumkoordinaten befunden hatten? Oder hatte ich diesen Zusammenschluss kraft meines unbewussten Wunschdenkens nach größerem Machtpotenzial und besseren Entfaltungsmöglichkeiten erreicht? Gewollt hatte ich den Zusammenschluss zweier Klausen nicht angestrebt, aber er kam mir sehr gelegen.
In einer Superklause waren die Möglichkeiten ungleich vielfältiger als in zwei voneinander isolierten Nischen. Prompt stellte ich mir die Frage, ob ich auf diese Art und Weise weiter expandieren und alle sieben Hyperraumnischen zu einem gigantischen Gebilde zusammenschließen konnte. Vielleicht zu einer Hohlkugel, in der sogar die Erde Platz haben würde. Aber das war zu weit in die Zukunft gegriffen.
Mandrian kam aufgeregt zu mir. »Diese Großklause hat zwar das Volumen von zwei Normalklausen, aber trotzdem nur zehn Decks. Und es gibt nur eine einzige Erhaltungsschaltung, diese allerdings von doppelter Größe«, berichtete er.
»Hoffentlich bringt diese größere Erhaltungsschaltung mehr als nur die doppelte Leistung einer normalen«, sagte der Hyperphysiker Santix. »Eine solche Superklause hat zwangsläufig einen viel höheren Energiebedarf.«
Ich konzentrierte mich auf die Zapfstation der Erhaltungsschaltung und spürte, dass der Energiezufluss stark erhöht war. Meiner Schätzung nach wurden die sechzehnfachen Energiemengen von der Erhaltungsschaltung in die schützende Außenhülle geleitet.
Die Erbauer des Auges hatten an alles gedacht. Nur vielleicht nicht daran, dass das Auge einem Uneingeweihten in die Hände fallen könnte, dem es gelang, diese Möglichkeiten auszuschöpfen.
Ich war jedenfalls dazu entschlossen.
Goran-Vran: 15.11.3586
Nach den ersten Verhören, die mehr oder weniger nur einer Bestandsaufnahme gedient hatten, überließ man den Loower Ronald Tekener und seiner Frau.
Die beiden nahmen sich Goran-Vran entweder gemeinsam oder einzeln vor. Nach jeder Sitzung besprachen sie sich und legten ihre weitere Vorgehensweise fest. Dabei übernahm Jennifer die Rolle des guten Gewissens, die den Loower mit Vernunft und Sanftmut zu gewinnen suchte. Tekener war der Ungeduldige, der hart zur Sache ging und mit Drohungen nicht sparte, wo Jennifer mit Versprechungen kam.
»Wie geht es, Goran?«, fragte Jennifer Thyron zur Begrüßung und ließ sich auf eine der beiden Sitzgelegenheiten nieder, die für Menschen gedacht waren. »Hast du gut geruht? Ich hoffe, die
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