Silberband 106 - Laire
dass jemand hinter ihm war. Er drehte sich um und verstummte, als er mich sah.
»Tut mir leid, Boyt«, sagte er verdattert. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass Sie hier sind.«
Ich winkte ab. »Machen Sie weiter so, Claus. Besondere Vorkommnisse?«
»Nichts Besonderes.«
»Aber irgendwas stimmt doch nicht?«
»Es ist nichts von Bedeutung, Boyt. Ich hatte nur Probleme mit den hydroponischen Gärten, die ich anlegen ließ, um die Sauerstoffzufuhr auf natürliche Weise zu regeln. Irgendein Idiot hat durch falsche Behandlung die Pflanzen eingehen lassen und sie zu den Abfällen geschafft. Dadurch hat ein Gärprozess eingesetzt, bei dem Biomethan entsteht, das unsere Atmosphäre mit Giftstoffen anreichert. Aber noch ist die Gefahrengrenze nicht erreicht, und ich werde einen Ausweg finden.«
»Keine Experimente«, warnte ich ihn. »Ich werde eine moderne Lufterneuerungsanlage beschaffen.«
»Und was wird aus den hydroponischen Gärten?«, fragte Pollag. »Ich verspreche mir immer noch einiges davon.«
»Ich werde Fachleute befragen«, sagte ich nur.
Dann wechselte ich über zur Klause fünf.
Dort waren die Erfinder am Werk. Als Chef hatte ich Allan Milestone eingesetzt. Er war annähernd hundert Jahre alt, also etwa in meinem Alter, und ein recht vitaler Geist. Während der Larenherrschaft hatte er für das Konzil der Sieben gearbeitet. Das stempelte ihn automatisch zum Verräter und trieb ihn mir in die Hände. Er war einer meiner wertvollsten Paratender, deshalb nahm ich seine Schrullen in Kauf.
Ich fand Milestone auf dem zehnten Deck, auf dem er sich eine Werkstatt eingerichtet hatte.
»Boyt!«, rief er bei meinem Anblick erfreut. »Ich habe den Helm längst fertig.«
Er holte aus einem Regal eine Kopfbedeckung heraus, die aussah wie ein futuristisch aufgearbeiteter Sturzhelm der zweiten Jahrtausendwende. Doch war in der Schädeldecke eine Öffnung ausgespart, und ein filigran erscheinender Mechanismus war aufgesetzt.
»Probier ihn«, forderte Milestone mich mit leuchtenden Augen auf. »Er funktioniert, mein Wort darauf.«
Ich stülpte den Helm über. Er passte, und er war aus einem so leichten Material, dass ich sein Gewicht kaum spürte.
»Jetzt das Auge«, drängte Milestone. Als er danach greifen wollte, genügte ein Blick von mir, ihn die ausgestreckten Hände zurückziehen zu lassen.
»Entschuldige, Boyt, ich wollte dir nicht zu nahe treten«, sagte er unterwürfig.
Ich nahm den Helm wieder ab und passte das zwanzig Zentimeter lange und an den Enden verdickte Auge mit dem Schwarzteil nach vorne in die Aussparung ein. Die kristalline Fläche, das eigentliche ›Auge‹, wies nach hinten. Nachdem ich mich mit dem Verschluss und der Mechanik des beweglichen Aufbaus vertraut gemacht hatte, setzte ich den Helm wieder auf und rückte ihn zurecht.
Danach probierte ich die Mechanik aus, die es mir erlauben sollte, das Auge aus der Ruhestellung vor mein Gesicht zu schieben. Es war eine etwas mühevolle Prozedur, weil ich die Arme ausstrecken und in erhobener Stellung belassen musste, um durch das Auge blicken zu können. Aber das war mir immer noch lieber, als es ständig in der Hand zu halten. In dem Helm war das Auge gut untergebracht und stets für mich greifbar.
»Die Idee ist gut, Allan«, sagte ich. »Aber du musst dem Helm noch den letzten Schliff geben. Ich will, dass du nach diesem Prototyp einen baust, den ich bequem von der Gürtelschnalle aus steuern kann. Das Material dafür hast du?«
»Klar, Boyt«, versicherte Milestone. »Es mangelt mir hier an nichts. Ich mache mich sofort an die Arbeit. Morgen kann ich dir einen Augenhelm übergeben, der auf Knopfdruck oder noch besser, auf Gedankenbefehl reagiert.«
»Ich verlasse mich auf dich, Allan.«
Ich nahm das Auge wieder an mich und übergab ihm den Helm. Dann begab ich mich in Klause eins, meine erste, bislang am besten ausgerüstete und von den fähigsten Paratendern besetzte Hyperraumnische.
Die Verhältnisse, die ich dort antraf, kamen für mich völlig unerwartet. Es hatten einschneidende Veränderungen stattgefunden, und unter den Paratendern war Panik ausgebrochen.
Klause eins bebte wie unter heftigen Eruptionen.
Auf dem Hauptdeck mit der Erhaltungsschaltung ging es drunter und drüber. Paratender schleppten Geräte zu dem tankartigen Gebilde, andere liefen nur planlos herum.
»Die Klause wird instabil!«, rief jemand. »Die Erhaltungsschaltung reguliert die Formenenergie nicht mehr. Die Blase wird zusammenbrechen und uns dem
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