Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
du den Nachthimmel genau betrachtest, kannst du links vom kleineren Mond einen faustförmigen Silberschleier sehen. Das ist die Provcon-Faust.«
»Ich sehe sie«, sagte Van Renekkon zögernd. Er begegnete Margors gnadenlosem Blick und schluckte. »Boyt … was hast du vor?«
»Wie ich schon sagte, ich überlasse dich den Tempestern.« Der Gäa-Mutant wandte sich ab und rief in die Nacht hinein: »Vaca! Studo! Er gehört euch .«
Aus der Dunkelheit tauchten zwei gedrungene Gestalten auf. Sie beugten sich über Van Renekkon und hoben ihn mit spielerischer Leichtigkeit auf die Beine.
»Boyt!«, rief er in aufsteigender Panik. »Boyt, lass dir doch sagen …«
Ein erster Schlag brachte ihn zum Verstummen. Die Sterne über ihm explodierten in roten Farben …
20.
Das fahle Licht beider Monde beschien das Ruinenfeld der ehemaligen Hauptstadt von Jota-Tempesto. Aus den Ruinen ragten nur einige miteinander verbundene Gebäude auf. Das war der Tempel der Tanzenden Jungfrau.
Von dort empfing Boyt Margor Mentalimpulse, die ihn alarmierten. Er spürte, dass sein Paratender Peres in Gefahr war. Von Pollag empfing er kein Lebenszeichen mehr.
»Ich muss in den Tempel«, sagte Margor zu den Tempester-Tendern, mit denen er sich aus Imperium-Alpha an diesen Ort gerettet hatte. Sie waren nur noch fünf. Alle anderen waren entweder tot oder paralysiert in Imperium-Alpha zurückgeblieben.
Neben ihm tauchte eine stämmige Frau auf.
»Soll ich dich begleiten, Boyt?«, fragte Gota. In Imperium-Alpha hatte sie ihren Aggressionstrieb abreagiert. Jetzt war sie wieder beherrscht.
Margor nickte schweigend. Zusammen mit Gota tat er den distanzlosen Schritt in eine Hyperklause und von dort in den Tempel.
Er stand mit Gota in der äußeren Tempelhalle und sah sofort, dass ein Kampf stattgefunden hatte.
In der Halle verstreut lagen vier Tempester. Im Hintergrund, neben dem offenen Tor zum Allerheiligsten, dem Inneren Tempel, fand der Gäa-Mutant Claus Pollag. Auch Pollag war durch Strahlenschüsse getötet worden.
»Das haben nicht meine Artgenossen getan«, sagte Gota überzeugt. »Sie hätten keine Waffen benötigt, sondern Pollag mit bloßen Händen zerdrückt.«
»Sprich nicht so von ihm!«, sagte Margor zurechtweisend. Er kniete nieder und schloss Pollag die glasigen Augen. »Er war einer von uns. Und wer außer den Tempestern hätte das tun können? Es gibt keine Fremden auf dieser Welt.«
»Die Tanzende Jungfrau selbst muss ihn bestraft haben«, behauptete Gota.
Margor spürte immer noch die Psi-Affinität zu Peres. Sie kam aus Richtung des Inneren Tempels, wurde aber schon merklich schwächer.
»Dieser Narr hat also doch versucht, in das Allerheiligste vorzudringen.« Margor starrte durch das Tor in einen düster erhellten Gang. Nach zwanzig Metern führte eine schmale Steintreppe abwärts.
Gota berührte seinen Arm. »Tu's nicht, Boyt!«, sagte sie warnend. »Dringe nicht ins Allerheiligste ein.«
»Ich bin der Totemträger!« Margor holte sein Amulett hervor und ging auf das Tor zu. Gota blieb an seiner Seite. Er war ihr dafür sogar dankbar.
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinunter – und erreichten eine andere Welt. Hinter einem metallenen Schott, in dem ein mannsgroßes Loch klaffte, befand sich eine mit terranischer Technik ausgestattete subplanetare Station. Die Technik wirkte veraltet, an verschiedenen Kleinigkeiten erkannte Margor, dass dieser Stützpunkt älter als hundert Jahre sein musste. Aber die Anlagen funktionierten zweifellos noch.
Sie betraten einen großflächigen Auffangraum und im Anschluss daran einen gerade verlaufenden Korridor. Die Schotten zu beiden Seiten ignorierte Margor. Er folgte Peres' schwächer werdender psi-affiner Ausstrahlung.
Wenig später fand er den Mann in einem Seitengang. Auch Peres hatte eine Schussverletzung, die von einer Strahlwaffe herrührte.
Margor beugte sich über den Sterbenden. »Was ist passiert, Guntram?«, fragte er leise.
»Der Wächter der Station muss den Verstand verloren haben«, sagte der Paratender schwach. »Er schoss auf alles, was ihm in den Weg kam.«
»Welcher Wächter?« Margor fühlte sich mit einem Mal unbehaglich. Er dachte an einen Zwotter.
»Es ist ein Ara«, hauchte Peres. »Ich kenne jetzt das Geheimnis der Tempester. Sie sind biologische Züchtungen der Aras …«
»Weiter«, drängte Margor, als Peres verstummte. »Was steckt hinter den Experimenten der Aras?«
»Sie haben vor etwa hundert Jahren damit begonnen …
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