Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Hintergrund befand sich eine riesige Bildfläche. Als Pankha-Skrin das dort dargestellte merkwürdige Gebilde sah, blieb er jäh stehen.
Er war nicht sicher, ob es sich um einen Himmelskörper oder eine künstliche Konstruktion handelte. Womöglich war es beides: ein unglaublicher Wirrwarr von Gebäuden, errichtet auf der Oberfläche eines Asteroiden. Das Bild allein ließ es nicht zu, dass er die Abmessungen des rätselhaften Objekts schätzte. Aber wenn die Gebäude die üblichen Dimensionen von Bauwerken besaßen, dann betrug die Länge des Gebildes zwischen siebzig und achtzig Kilometern.
In der Mehrzahl waren die Gebäude grazile Türme von beträchtlicher Höhe. Sie standen dicht gedrängt und erweckten stellenweise den Eindruck, als seien sie die Stacheln eines Igels, der in Verteidigungsstellung gegangen war. Es gab fünf Turmbauten, deren Spitzen hoch über die anderen hinausragten. Sie waren nahezu symmetrisch über den Asteroiden verteilt. Pankha-Skrin vermutete, dass es auf der für ihn nicht einsehbaren Seite des Objekts weitere solcher Türme gab.
Der tonnenförmige Roboter hatte die Faszination des Quellmeisters bemerkt.
»Das ist das Große Gasthaus«, erklärte er.
Während das Raumschiff sich weiter annäherte, sah Pankha-Skrin mehrere dem Gewirr der Türme vorgelagerte Plattformen. Die größte hatte eine Fläche von annähernd hundert Quadratkilometern. Sie war das Ziel des Schiffes.
Sonnenlampen tauchten die ausgedehnte Landefläche in ein milchiges Licht. Ähnliche Lampen waren an zahllosen Vorsprüngen und Turmspitzen angebracht und dafür verantwortlich, dass das ›Große Gasthaus‹ überhaupt sichtbar war. In diesem Raumsektor schien es nur wenige Sterne zu geben, und keiner davon war nahe genug, um das Riesengebilde mit nennenswerter Helligkeit zu versehen.
Der Roboter führte Pankha-Skrin in eine geräumige Schleuse. Da er den Quellmeister nicht aufforderte, den Helm seines Raumanzugs zu schließen, nahm dieser an, dass auf der Plattform eine atembare Atmosphäre herrschte.
Kurz darauf war die Landung abgeschlossen, das Schott öffnete sich. Pankha-Skrin sah eine leuchtende Energiebrücke, die von der Schleusenkammer bis zu der Landeplattform führte. Der Roboter geleitete den Quellmeister. Am Fuß der Brücke warteten fünf Wesen, deren äußere Erscheinung Pankha-Skrin unbekannt war.
Sie standen auf zwei Beinen. Vier von ihnen hatten außerdem zwei obere Extremitäten. Der Größte unter den Fremden besaß deren allerdings drei. Aus den Schultern der Geschöpfe ragte, auf einem mehr oder weniger ausgeprägten Hals sitzend, ein knollenförmiges Gebilde von besonderer Beweglichkeit, das hauptsächlich Wahrnehmungs- und Verständigungsorgane zu tragen schien.
Während seiner Reisen durch die Weiten des Universums war Pankha-Skrin solchen Wesen des Öfteren begegnet. Die Natur schien sie mit Vorliebe auf Sauerstoffwelten hervorzubringen. Sie waren insofern empfindlich, als sie nur geringfügige Schwankungen der Umweltbedingungen ertragen konnten. Wo immer jedoch für sie ideale Konstellationen herrschten, entfalteten Wesen dieser Art eine atemberaubende Kreativität.
Der Roboter schwebte hinter Pankha-Skrin her, als der Quellmeister die Energiebrücke hinabschritt. Pankha-Skrin glaubte zu erkennen, dass die schimmernden knopfförmigen Gebilde in den Schädeln der Fremden Sehorgane waren, denn sie reagierten auf jede seiner Bewegungen. Als er am Fuß der Energiebrücke angekommen war, glitt der Robot an ihm vorbei auf die Fremden zu. In einer Sprache, die der Quellmeister nicht verstand, gab er eine kurze Erklärung ab. Dann wandte er sich an Pankha-Skrin.
»Ich übergebe dich Vajlan, dem Oberbruder der Bruderschaft der Techno-Spürer. Seine Aufgabe ist es, dich zu Boronzot zu bringen.«
Vajlan, der Pankha-Skrin wie ein ungeschlachter Riese erschien, war in wallende, schreiend bunte Gewänder gekleidet. Der Quellmeister empfand Schmerzen, wenn er sie zu lange betrachtete. Vajlan hatte an einer schimmernden Kette ein kleines Gerät um den Hals hängen, aus dem in diesem Augenblick Worte in der Sprache der Loower erklangen.
»Sei uns willkommen, Gastwirt! Der König wartet bereits mit Ungeduld auf dich.«
Da war er zum zweiten Mal, der seltsame Name Gastwirt. Pankha-Skrin wollte widersprechen. Dann aber bedachte er seine Lage und kam zu dem Schluss, dass es gefährlich sein könne, die Fremden über ihren Irrtum aufzuklären. Ein Gastwirt war offenbar ein Wesen, nach dem sie
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