Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Versuch durchgeführt worden?«, hatte Pankha-Skrin bestürzt gefragt.
»Dutzende, vielleicht Hunderte von Malen. Immer mit demselben Resultat.«
Über diesem Problem grübelte der Quellmeister seit jenem letzten Gespräch mit Salsaparú. Er konnte sich nicht vorstellen, was den Misserfolg der zaphoorischen Raumexpeditionen verursacht haben mochte. Nur eine einzige Erklärung fiel ihm ein, und die schien weit hergeholt: Die Einzigen, die etwas von Raumschiffen verstanden, waren die Techno-Spürer. Womöglich hatten sie ein Interesse daran, dass die Zaphooren in Murcons Burg blieben.
Seine eigene Rolle – oder besser: die Rolle, die er nach dem Wunsch der Zaphooren spielen sollte – war Pankha-Skrin inzwischen klar geworden. Jemand hatte ihn in der Nähe der Burg beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass er ein ähnliches Wesen wie Murcon sein müsse – ein Gastwirt, wie die Zaphooren sagten. Da Murcon in seiner Burg hatte ein und aus gehen können, nahmen die Zaphooren an, dass auch er, Pankha-Skrin, diese Fähigkeit besitze. Mit anderen Worten: Jemand erwartete von ihm nichts anderes, als dass er die Zaphooren aus der qualvollen Enge ihres derzeitigen Gefängnisses in die Freiheit führe.
Pankha-Skrin besaß die Machtfülle des Quellmeisters, die auf entelechischem Tiefdenken beruhte. Trotzdem stand er den Erwartungen der Zaphooren hilflos gegenüber. Er wusste selbst nicht, wie er an diesen Ort gekommen war. Noch weniger kannte er den Weg hinaus in die Freiheit.
Er wurde in seinem Gedankengang unterbrochen. Die Schiefäugige Salsaparú trat ein.
»Ich bitte dich, mir zu einer anderen Unterkunft zu folgen«, sagte sie. »Sei überzeugt, es geschieht alles zu deiner Sicherheit und Bequemlichkeit.«
»Sicherheit?«, wiederholte Pankha-Skrin misstrauisch.
»Boronzot gönnt uns die Ehre deines Besuchs nicht«, antwortete die Vorsteherin barsch. »Wir erwarten seinen Angriff in wenigen Minuten.«
Boronzots Krieger hatten viele Stunden gebraucht, um sich in den Turm der Frauen einzuschleichen. Als sie aber angriffen, brandete ihnen derart heftiger Widerstand entgegen, dass sie im Augenblick der ersten Überraschung am liebsten Hals über Kopf geflohen wären. Dass dies nicht geschah, lag an Vajlan. Salsaparús frecher Raubzug in den Palast des Königs Boronzot hatte ihn dermaßen erzürnt, dass er Boronzot spontan seine Dienste angeboten hatte.
Als sein Trupp sich angesichts des unerwarteten Widerstands zur Flucht wandte, sprang er zwischen die Kämpfer und schlug mit seinen drei Fäusten auf sie ein. Die Krieger der Bruderschaft der Wahren Zaphooren wussten bald nicht mehr, ob es besser sei, den Frauen zu unterliegen oder von Vajlan verprügelt zu werden. Sie stellten sich dem Gegner. Inzwischen hatte Vajlan längst einen Boten ins Quartier der Offiziere geschickt und zu verstehen gegeben, dass er dringend Verstärkung brauchte. Sein Trupp hielt die Frauen einstweilen hin und verteidigte jeden Fußbreit Boden mit einer Verbissenheit, die lediglich aus der Furcht vor Vajlan rührte.
Endlich traf die Verstärkung ein. Der Widerstand der Frauen wurde gebrochen, die Kämpferinnen stoben vor den nachrückenden Kriegern davon. Binnen kurzer Zeit stand Vajlan vor dem Hauptquartier der Schiefäugigen Salsaparú.
Nicht einmal die Wachtposten, die sonst in diesem Abschnitt des Turms für Sicherheit sorgten, waren mehr da. Vajlans Männer spürten während einer mehrstündigen Suche nur eine einzige alte Frau auf. Von ihr erfuhr der Dreiarmige, was er schon vermutet hatte. Die Schieläugige hatte sich mit dem Gastwirt davongemacht. Ihren Untertanen hatte sie befohlen, sich in die unzugänglichen, leicht zu verteidigenden Regionen des Turms zurückzuziehen.
Vajlan hatte zwar einen Sieg errungen. Aber der Gastwirt war weiter von ihm entfernt als zuvor.
Salsaparú hatte einen Trupp von zwölf Frauen aufgeboten, um den Quellmeister in Sicherheit zu bringen. Auf dem Weg, der für Pankha-Skrin vor allem wegen der eingeschlagenen Geschwindigkeit beschwerlich war, war von fern mitunter der Kampflärm zu hören. Salsaparú hatte also die Wahrheit gesagt: Boronzots Krieger griffen den Turm der Frauen an.
Der Weg führte abwärts. Pankha-Skrin verstand nicht, was die Frauen miteinander redeten. Salsaparú trug als Einzige ein Übersetzungsgerät, und das hatte sie abgeschaltet.
Es behagte dem Quellmeister wenig, dass er zum Spielball der Interessengruppen in Murcons Burg geworden war. Die Burg barg ein Geheimnis,
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