Silberband 110 - Armada der Orbiter
vergessen zu können. Die vier Überschweren lachten dazu.
Während die Familiensprecher sich berieten, ereignete sich etliche Lichtjahre entfernt ein Zwischenfall, der ihnen die Entscheidung abnahm.
Die GARRULF-HOJ fing einen Notruf der terranischen Beobachtungsstation Gamma-Zeta auf. Ein Weltraumbeben hatte eine weit vorgelagerte unbemannte Sonde mit der Wucht von über tausend Gravos förmlich zerquetscht und näherte sich offensichtlich der Station, selbst.
Natürlich wussten die Springer und die Überschweren von diesen unerklärlichen Beben. Da die kleine Flotte nicht sehr weit von Gamma-Zeta entfernt stand, entschieden die Überschweren, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Im Handstreich rissen sie das Kommando über die GARRULF-HOJ an sich und beschleunigten den Walzenraumer.
Den vier Familiensprechern gelang die Flucht in ihren Beibooten im letzten Moment, bevor die GARRULF-HOJ in den Linearraum ging und das Weltraumbeben einsetzte.
Es wurde nie geklärt, ob es sich um Ausläufer jenes von Gamma-Zeta gemeldeten Weltraumbebens handelte oder ob die Springerschiffe in andere Kraftfelder gerieten, die sich unabhängig davon aufbauten. Die Schiffe wurden von den unheimlichen Gewalten bis in den Kern erschüttert und schwer beschädigt. Die vier Beiboote, in denen die Familienoberhäupter geflohen waren, hatten danach nur mehr Schrottwert. Aber die Insassen überlebten.
Nach dem Ende des Bebens begann eine weiträumige Suche nach der GARRULF-HOJ, denn neben den tobenden Kraftfeldern war ein heftiger Energieausbruch angemessen worden. Gefunden wurden einige wenige Wrackteile, die jedoch eindeutig von der GARRULF-HOJ stammten.
Die Wissenschaftler und Techniker der Pjokkor-Sippe kamen übereinstimmend zu der Ansicht, dass die unbekannten Kraftfelder innerhalb des Linearraums, der Librationszone zwischen vier- und fünfdimensionalem Kontinuum, weit stärker als im Normalraum getobt und die GARRULF-HOJ förmlich zerrissen hatten.
Niemand weinte dem Patriarchen eine Träne nach. Araffan Talapa-Pjokkor wurde zum neuen Sippenoberhaupt gewählt und verlangte, dass die Pjokkors endlich das Image ehrbarer Händler anstreben sollten.
23.
10. April 3587
Ein denkwürdiger Tag, und das in zweierlei Hinsicht.
Das erste Ereignis war, dass Wiesel von seiner Freundin vor die Tür gesetzt wurde. Damit hatte das süße Leben für ihn urplötzlich ein Ende, und er stand vor dem Problem, einen neuen Ernährer suchen zu müssen.
Die Wohlfahrt kam nicht infrage, er lebte illegal auf Terra und war in keiner Datei registriert. Statistisch existierte er gar nicht in dieser Stadt, die er abfällig City nannte. Diese futuristisch anmutende Siedlung, die völlig neu aus dem Boden gestampft und erst im Rahmen des Unternehmens Pilgervater bevölkert worden war, wirkte erschreckend kalt auf ihn. Es war ein künstlich gezüchteter Gebäudeberg, in dem es für einen Mann wie Wiesel keine Schlupfwinkel und kein Betätigungsfeld gab.
Er stammte von einer Pionierwelt fern der Zivilisation. Dort war es immer wieder mal möglich gewesen, einem betrunkenen Kolonisten das Geld aus der Tasche zu ziehen oder einem Farmer die Herde seines Nachbarn zu verkaufen. Auf Terra war jedoch alles anders. Die Erde war keineswegs eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten wie in dem Slogan, durch den er sich hatte anlocken lassen. Und Neu-Vindobona war nicht das Dorado für Draufgänger, für das Wiesel diese futuristische Bürokratenburg gehalten hatte, in der nichts zu holen war.
Trotzdem durfte er sich eigentlich nicht beklagen. Und er hätte das auch nicht getan, wäre Elvira nicht auf die verrückte Idee gekommen, dass er Arbeit annehmen müsse.
Nun stand er von einem Tag zum andern ohne Dach und völlig mittellos da. Er hatte den Kopf zwar voll guter Ideen, doch sie ließen sich in dieser City nicht verwirklichen. Er kannte nicht die richtigen Leute – falls es solche hier überhaupt gab.
Er wanderte schon seit Stunden durch die City und hatte Hunderte Leute taxiert, als ihm in der Menge ein Mann auffiel. Wiesel hatte ein gutes Gespür und verließ sich auch diesmal darauf, deshalb folgte er dem Unbekannten.
Der Mann war groß und wirkte muskulös. Er hatte ein maskenhaft ausdrucksloses Gesicht und kalt und unpersönlich wirkende Augen. Aber das besagte wenig. Leute, die präpotent und unnahbar erschienen, waren in der Regel leichter verletzlich als jene, die sich natürlicher gaben. Ihre Unnahbarkeit war ein Schutz, hinter dem sie ihre
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