Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
gab. Stimmte ihn die Aussicht auf Konfrontation mit den Psychoden seiner Schicksalsgenossen melancholisch? Fürchtete er diese Begegnung gar?
»Tek, sieh dir das an!« Ahrzabas Stimme überschlug sich geradezu. »Kehril hat uns die Arbeit abgenommen und die Psychode beschafft.«
Als Tekener die Frau erreichte, traute er seinen Augen nicht. Zwischen zwei Riesenkakteen war ein Sandtrichter gegraben worden, und darin befanden sich – ordentlich aufgestellt – zwei Reihen mit jeweils sechs abstrakt geformten Gebilden. Es waren acht unterschiedlich große Skulpturen, zwei Miniaturbilder und zwei Reliefe.
»Kehrils Initiative erspart uns viel Zeit!«, rief Ahrzaba. »Wir können in die Kolonie zurückkehren und sofort zu experimentieren ...«
»Das sind Fälschungen!«, sagte Tezohr traurig.
Das war es also, was den Paraplasmaten so melancholisch gestimmt hatte. Tekener hatte nicht darauf geachtet, dass er keine für Psychode typische Ausstrahlung wahrnahm. Immerhin war er gegen ihre Beeinflussung immun. Aber diese Psychode waren stumm!
»Ich war so aufgeregt, dass ich gar nicht daran dachte, die Probe zu machen«, entschuldigte sich die Experimentatorin schwerfällig.
»Echt-Psychode vielfach schön!«, sang Kehril mit stolzgeschwellter Brust.
»Immerhin hast du es gut gemeint, Kleiner«, sagte Tekener. »Und ganz umsonst war deine Mühe womöglich gar nicht. Wir können die Fälschungen gegen die echten Psychode austauschen und so die Entdeckung des Diebstahls hinauszögern. Kommt, packt mit an!«, forderte er die Zwotter auf, die sich das nicht zweimal sagen ließen. Sie rissen sich förmlich darum, die Attrappen tragen zu dürfen.
Ronald Tekener hatte im Schutz des Deflektors das freie Feld schon halb überquert. Die Zwotter brauchten sich nicht zu tarnen, sie konnten sich nahezu ungehindert bewegen. Sie mussten nur darauf achten, dass die Psychode-Attrappen nicht auffielen.
Sirenen heulten plötzlich. Die Paratender-Wachen verließen ihre Posten und zogen sich in die Burg zurück. Gleichzeitig schlossen sich die Läden vor den Fenstern und Türen. Es wurde so finster, dass Tekener keinen Schritt weit sehen konnte. Ein heftiger Sandsturm peitschte heran. Tek musste die Augen schließen, aber der Sand drang durch die Lider und sogar unter die Atemmaske. Er schmeckte den Sand.
Ein seltsamer Gesang vermischte sich mit dem Heulen des Sturmes. Tek spürte ein Zupfen an den Beinen, dann schoben sich dünne Finger in seine Hand, und er griff entschlossen zu. Einer der Zwotter zog ihn mit sich. Tekener wurde sich jetzt erst bewusst, dass er den Deflektorschirm noch eingeschaltet hatte und dass ihm die Unsichtbarkeit trotzdem nichts nützte. Allerdings fragte er sich nur für einen Moment, wie ihn der Zwotter dennoch entdeckt hatte.
Als sie eine windgeschützte Stelle erreichten, wagte er ein Blinzeln. Nahe vor ihm erhob sich eine Mauer aus schieferartigem Gestein. Tek erkannte, dass Tezohr ihn an der Hand führte. Tezohr hielt auch Ahrzabas Hand, die sich ihrerseits an einen Zwotter klammerte. Jetzt ließen sie einander los. Eine neue Bö fegte heran, und der Sand schmirgelte über Teks Gesicht. Sekunden später bemerkte er vor sich in der Wand eine Öffnung, halb von Sandverwehungen verschüttet.
Ein Zwotter deutete auf die Öffnung. Der Sturm trug seinen Singsang fort, aber Tekener verstand auch so. Ohne zu überlegen, schwang er sich mit den Beinen voran in die Öffnung. Von innen zerrte jemand an ihm, und er rutschte in eine enge Kammer. Die Psychode-Attrappen lagen unordentlich herum.
»Wie habt ihr diesen Zugang gefunden?«, erkundigte er sich, nachdem er die Atemmaske hinabgeklappt hatte. Er klopfte sich den Sand aus der Kleidung.
»Geheimnisgegangener Ungekannter!«, sang Kehril.
»Es gab in Harzel-Kolds Burg einen Geheimgang zum Museum«, übersetzte Ahrzaba. »Die Zwotter haben ihn beim Wiederaufbau ohne Galinorgs Wissen nachgebaut. Keiner der heutigen Bewohner kennt diesen Gang. Er führt in das Depot, in dem die Psychode aufbewahrt werden.«
Tezohr kam als Letzter durch die Öffnung, die Zwotter verschlossen sie hinter ihm mit einer Klappe. Das Heulen des Sturmes erstarb.
»Die Zwotter sollen die Psychode so rasch wie möglich aus dem Gebäude schaffen«, sagte Tekener. »Ich werde mich umsehen und ihren Rückzug überwachen.«
»Ich komme mit dir, Tek«, bot sich Tezohr an. Als er Tekeners ablehnenden Ausdruck merkte, zeigte er auf sein eiförmiges Psychod. »Du kannst dich ruhig wieder
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