Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Julian Tifflor und die übrigen Verantwortlichen der LFT wegen der Orbiter-Invasion in extremen Schwierigkeiten steckten und kaum die Zeit finden würden, ihm zuzuhören.
Andererseits vertraute Sarder dem Ersten Terraner, obwohl er ihm nie persönlich begegnet war. Tifflor war sicher in der Lage, den Wahrheitsgehalt einer Nachricht richtig einzuschätzen – sofern sie bis zu ihm durchdrang.
Dass er seine Botschaft an den richtigen Mann bringen konnte, schien Sarder das eigentliche Problem zu sein. Nötigenfalls musste er es mit einem Trick versuchen.
Vielleicht hielt dieses Leben doch noch eine kleine Chance für ihn bereit.
Wenn man, von Imperium-Alpha kommend, Terrania in westlicher Richtung überflog, machte die Stadt den Eindruck eines gigantischen Betonklotzes ohne Leben. Dieses Gebiet gehörte zu den ältesten der irdischen Hauptstadt, hier manifestierte sich noch einiges von der unsinnigen Architektur des 21. Jahrhunderts, die sich allein an den Maßgaben einer übertechnisierten Bürokratie orientiert hatte. Trotzdem kamen Julian Tifflor, wenn er an Bord eines Gleiters dieses Stadtviertel überflog, oft wehmütige Gedanken, denn er wurde dabei an seine Zeit als Raumkadett und Spezialbeauftragter Perry Rhodans erinnert.
Diesmal erging es ihm nicht viel anders, und als er den Turm der ehemaligen Raumakademie sah, seufzte er leise. Namen wie Klaus Eberhardt, Humphry Hifield und Mildred Orsons kamen ihm in den Sinn, Menschen, die er um Jahrhunderte überlebt hatte.
Die Betonwüste war mit der Zeit in ein riesiges Museum verwandelt worden, aber niemand hatte in diesen Tagen Interesse an einem Besuch.
Kein Wunder!, dachte der Erste Terraner. Die Menschen haben andere Sorgen, als sich die Zeugen einer verplanten Vergangenheit anzusehen.
Er richtete seinen Blick himmelwärts. In den letzten Tagen hatte er sich oft dabei ertappt. Befürchtete er, eines der Orbiter-Keilschiffe über Terrania zu sehen?
Diese Vorstellung war natürlich absurd, denn lange bevor Tifflor ein solches Schiff zu Gesicht bekommen würde, hätte ihn das Frühwarnsystem informiert. Bisher war das Solsystem jedoch verschont geblieben. Vielleicht begingen die Orbiter auch in dieser Beziehung eine Fehleinschätzung. Wie sie die Menschen für Garbeschianer hielten, nahmen sie womöglich an, dass Olymp der wichtigste Planet in der Milchstraße war. Da Olymp aber keineswegs die einzige von Orbitern besetzte Welt war, hielt Julian Tifflor sogar diese Überlegung für fragwürdig. Die Strategie der Orbiter blieb rätselhaft. In letzter Zeit, dachte er müde, war etwas viel auf ihn eingestürmt.
Er war unterwegs zum Raumhafen, um Mutoghman Scerp, den obersten Vertreter der GAVÖK, zu treffen. Der Gedanke an Scerp erfüllte ihn mit Zuversicht. In dem gefährlichen Spiel mit vielen Unbekannten, in das Terra verwickelt war, bedeutete Scerp Stabilität und Zuverlässigkeit.
Der Pilot, der Tifflor zum Raumhafen flog, wandte sich im Sitz um. »Soeben kommt eine Nachricht vom Landefeld«, sagte er. »Scerps Ankunft wird sich um mehrere Stunden verzögern.«
Tifflor unterdrückte seinen Unwillen. Natürlich gab es für den ersten Mann der GAVÖK in der derzeitigen Situation ebenfalls viele wichtige Dinge zu erledigen, und niemand konnte erwarten, dass er zu jedem Treffen pünktlich erschien.
»Was soll ich tun?«, erkundigte sich der Pilot. »Weiterfliegen?«
»Nein, Tonar! Kehren Sie um und geben Sie eine Info an Imperium-Alpha. Ich werde mich um die anliegenden Geschäfte kümmern.«
Knapp zehn Minuten später betrat der Erste Terraner sein großes, bescheiden eingerichtetes Büro. Keiner seiner Sekretäre wusste, wie unangenehm ihm der Aufenthalt in diesem Raum war, ja dass er ihn manchmal regelrecht hasste. Julian Tifflor war ein Mann, der nichts mehr verachtete als Schreibtisch- und Verwaltungsarbeit. Aber genau dazu war er seit Längerem verurteilt.
Homer G. Adams, mit dem er gern gesprochen hätte, weilte bei einer Konferenz von Vertretern neu-arkonidischer Kolonien. Immerhin, dachte Tifflor, waren diese Besucher bei dem Halbmutanten gut aufgehoben.
Er ließ sich von einem seiner Assistenten die aktuellen Nachrichten geben. Als er sie studierte, fiel ihm auf, dass eine durchgestrichen war. Offensichtlich hatte sie die letzte Kontrolle nicht bestanden. Tifflor hatte längst eingesehen, dass er sich nicht um alle Dinge persönlich kümmern konnte, also war es durchaus richtig, dass seine Helfer alles filterten, bevor sie es zu ihm
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