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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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dass ich als Mensch ans Licht treten werde.“
    „Verwandle dich!“
    Schirokkos Körper zuckte und platzte plötzlich aus seiner Haut, türmte sich in die Höhe.
    „Verwandle dich!“, stöhnten die Fledermäuse wie im Fieberwahn, und als Schatten zu Marina schaute, sah er, dass sie auch mitsang. Er war von dem Gefühl durchdrungen, dass er allein war, und er hatte Angst. Er drehte sich um zu Schirokko und schrie alarmiert auf.
    Was da in der Mitte des Dachbodens stand, war ein Mensch. Aber er hatte noch die Augen einer Fledermaus und von seinem Kopf standen spitze Ohren ab. Und wenn er grinste, war das Gebiss noch das einer Fledermaus mit scharfen Reißzähnen, die aus dem Oberkiefer herabragten.
    „Ein Mensch! Ein Mensch!“
    Schatten war überwältigt und kniff die Augen zu. Das Ganze hatte etwas Unrechtes an sich, etwas Unnatürliches. Als er wieder hinschaute, war der Mensch verschwunden. Auf dem Boden befand sich wieder Schirokko, eine Fledermaus auf vier Beinen mit großen Ohren und hellem Fell.
    Die anderen auf dem Dachboden waren in ein erschöpftes Schweigen gefallen. Das Einzige, was er hören konnte, war ihr Keuchen.
    „Seht ihr“, sagte Schirokko triumphierend. „Wir sind sehr nahe dran. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Menschen zu uns kommen und Nocturna macht, dass wir für immer vollständig verwandelt werden!“
    Schirokko schaute Marina gütig an.
    „Schließ dich uns an“, sagte er. „Warte mit uns auf die Ankunft des Lichts. Es wird nicht mehr lange dauern.“
    „Bleib hier“, sagte Penelope, der andere Glanzflügel. „Bitte, bleib!“
    Und auch von den anderen Fledermäusen erhob sich ein Chor: „Bleib, bleib!“
    Marina blickte Schatten an. „Warum bleiben wir nicht?“
    „Nein“, sagte Schirokko streng. „Der Silberflügel kann nicht hier bleiben.“
    „Warum nicht?“, fragte Marina.
    Schatten dagegen hatte genau das erwartet.
    „Er gehört nicht zu den Auserwählten“, sagte Schirokko. „Nocturna wäre zornig, ließen wir die Unwürdigen bleiben. Sie könnte sich entscheiden uns alle von der Verwandlung auszuschließen. Ohne Ring gibt es kein Versprechen.“
    „Mein Vater war beringt“, sagte Schatten unwillig, „und die Älteste von …“
    „Das interessiert uns nicht“, sagte die langohrige Fledermaus. „Wer nicht beringt ist, wird nie ein Mensch. Er wird im Finstern sterben zusammen mit all den anderen, die nicht auserwählt sind.“ Schirokko wandte sich zu Schatten und sah ihm zum ersten Mal voll in die Augen. „Es tut mir Leid, aber das ist die Wahrheit.“
    Schatten drehte sich um, gedemütigt und zornig. Er war die ganze Strecke gekommen auf der Suche nach einer Antwort und nun hatte er sie gefunden. Aber er war kein Teil von ihr. Auserwählt. Wie wurde man auserwählt? Was hatte er falsch gemacht? Wenn Marina beringt werden konnte, warum nicht er? So etwas Besonderes war sie gar nicht. Wenn sie einen Ring hatte, dann sollte er auch einen haben. Sein ganzes Leben lang hatte er am Rande gestanden, war der Knirps gewesen. Und nun das. Er spürte, wie sich sein Gesicht verhärtete. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Marina ihn besorgt beobachtete.
    „Du bleibst hier“, sagte er mit gepresster Stimme.
    Sie schüttelte den Kopf. Der Schmerz in ihren Augen rührte ihn. Er wandte sich zu ihr. Sie hatte so lange gewartet, die meiste Zeit allein, und hatte gehofft, dass es mit ihrem Ring etwas Besonderes auf sich hätte. Und nun hatte sie die Antwort gefunden und auch gleich eine Gruppe von Fledermäusen, die sie endlich nicht vertreiben, sondern sie für immer bei sich behalten wollten.
    „Du musst“, sagte er, „du musst bleiben.“
    „Aber …“
    „Ich werde meine Kolonie schon finden. Und meinen Vater.“
    Ihre Augen flackerten und mit den Krallen kratzte sie unglücklich am Holz. „Es ist nicht mehr so weit, oder? Du bist wahrscheinlich schon fast am Ziel angelangt.“ Verzweifelt schaute sie ihn an. „Es wird gehen, nicht wahr?“
    Sie wollte, dass er Ja sagte, so viel konnte er erkennen. Er nickte heftig.
    „Oh ja, den Rest des Weges kenne ich. Ich habe die Karte. Du hast mir sehr geholfen.“
    Er schaute zu dem kleinen Fenster hoch oben in der Wand, und in dem Licht draußen konnte er erkennen, dass der Schneesturm aufgehört hatte. Er konnte nicht einmal mehr den Wind hören. Die Nacht würde noch drei Stunden dauern.
    „Ich sollte aufbrechen.“
    Sie näherte sich ihm und schlug ihre Flügel eng um ihn herum. Sie war so

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