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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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warm.
    „Es tut mir Leid“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Du verstehst das doch, nicht wahr?“
    Er nickte und hüstelte ungeduldig, um seine Tränen zu unterdrücken.
    „Viel Glück, Schatten.“
    „Dir auch“, sagte er. Er eilte zu dem Spalt im Dach und schwang sich in die Nacht ohne zurückzublicken.
    Goth winkelte einen fast erfrorenen Flügel an und kreiste über dem wüsten Gelände. Eis bedeckte seine Schnauze. Aber seine Augen funkelten. Angestrengt beobachtete er den Erdboden.
    „Was ist los?“, fragte Throbb.
    Goth schnüffelte, dann hob er eine Kralle, um das Eis von seinen geblähten Nüstern zu klopfen. Er schnüffelte erneut angestrengt nach einem ganz schwachen Duft in der frostigen Luft.
    Er grinste. Zotz hatte wieder einmal für ihn gesorgt.
    Ruckartig wandte er den Kopf hinab zu einer menschlichen Hütte, die halb vom Schnee bedeckt und vor dem Berg fast unsichtbar war.
    „Nahrung“, sagte er. „Und zwar in Mengen.“

– 17 –
Wolfsohren
    Nie hatte sich Schatten so einsam gefühlt. So sehr hatte er sich an Marinas Gesellschaft gewöhnt. Es war einfach unvorstellbar, dass sie nicht neben seiner Flügelspitze flog oder unmittelbar vor ihm und ihn zur Eile antrieb.
    Die ganze Welt war ein riesiges, schmerzhaftes Echo – die schäbigen Bäume, die Felsen, alles hohl, alles freudlos.
    In ihm klangen noch Schirokkos Worte nach: Du wirst im Finstern sterben mit allen anderen, die nicht auserwählt sind. Für Schatten gab es demnach keinen Platz in der Zukunft. Nocturnas Großes Versprechen galt nicht für ihn. Er würde es nie erleben, als Mensch in das Licht des Tages zu treten.
    Aber Marina könnte das. Und Frieda. Auch sein Vater. Für sie war es gut. Wut überschwemmte ihn. Warum hatte ihm Frieda das nicht erzählt? Wusste sie es wirklich selber nicht oder hielt sie es nur vor ihm verborgen, weil er keinen von diesen kostbaren Ringen hatte? Und was war mit seinem Vater? Warum war er nicht hier, um ihm zu helfen, um ihm alles zu erklären? Wahrscheinlich versteckte er sich nur irgendwo mit seinem Ring und wartete auf seine Menschwerdung. Schatten schüttelte den Kopf. Und was würde mit ihm passieren? Und mit seiner Mutter und all den anderen unberingten Fledermäusen?
    Er konnte es einfach nicht glauben.
    Er starrte zu den Sternen hoch und sah, wie sie flackerten, als ob sie tatsächlich an der schimmernden Unterseite von Nocturnas gewaltigen Flügeln befestigt wären. Alles, was die Fledermausgöttin tun musste, war, ihre Flügel zusammenzufalten, und die ganze Nacht würde verschwinden und dem Tag weichen. Sie wieder auszubreiten, und die Sterne würden zurückkehren.
    Was machte sie da oben, fragte sich Schatten, falls sie überhaupt da oben war? Was hatte sie im Sinn mit ihm, einem Fledermausknirps auf der Suche nach seiner Kolonie?
    Die Sterne gaben nichts preis.
    Sie waren immer stumm. Sie hatten keinen Gesang, jedenfalls keinen, den er wahrnehmen konnte. Vielleicht konnte Zephir sie hören, aber Schatten wusste, sein Gehör würde nie so gut sein.
    Vor ihm erhoben sich die Berggipfel. Wie konnte er nur so hoch hinauffliegen, um sie zu überwinden? Er schnüffelte und schaute nach Osten und Westen, um abzuschätzen, wie weit die Nacht schon fortgeschritten war. Eine Stunde noch, vielleicht ein wenig mehr. Es war unmöglich, heute Nacht noch hinüberzukommen. Er wollte sich im Pfeifen des Windes an seinen Ohren verlieren.
    Zum ersten Mal hatte er Angst während der Nacht. Er sah Echo-Schatten, silbrige Bewegungsflecken am Rande seines Klang-Sehens. Ein Haufen toter Blätter wirbelte durch die Luft und wurde zu Goth, der die Flügel in seine Richtung ausbreitete. Der ferne Ruf einer Eule verwandelte sich in eine gespenstische Wiederholung seines Namens: „Schatten! Schatten!“
    Plötzlich überwältigte ihn die riesige Ausdehnung der Nacht, der ganze leere Raum, der um ihn herum gähnte. Vielleicht hatte die Dunkelheit ja tatsächlich etwas Schreckliches an sich und er hatte es nur vorher nie bemerkt.
    Irgendetwas war hinter ihm.
    Seine Nackenhaare sträubten sich. Er blickte zurück, als gerade etwas über ihn hinwegflog, so niedrig, dass es seine Flügel streifte.
    Da war sie, direkt vor ihm. Ihr glänzendes Fell leuchtete im Sternenlicht wie ein Bild aus einem Traum.
    „Was machst du hier?“, fragte er.
    „He, du klingst ja nicht allzu erfreut mich zu sehen!“
    „Du … du hast mich erschreckt!“
    „Ich komme mit dir.“
    „Aber … warum hast du deine Meinung

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