Silberflügel: Roman (German Edition)
festem Griff, bis Schatten dachte, seine Lungen würden bersten. Nach Luft ringend kam er hoch.
„Wer hat euch geschickt?“, fragte der Fürst.
„Ich habe euch gesagt, die großen Ältesten der …“
Der Fürst schüttelte den Kopf. „Bringt sie zum Abfluss“, befahl er den Wächtern, „und ertränkt sie.“
„Flieh“, schrie Schatten Marina zu und breitete die Flügel aus. Aber die Wächterratte hielt seinen Unterarm mit den Zähnen fest, und er wusste, wenn er versuchte aufzufliegen, würde ihm der Arm aus den Gelenken gerissen werden. Ein anderer Wächter hatte Marinas Flügelspitze im Maul und war bereit, sie daran zurückzureißen. Schatten sank wieder in den Schlamm.
„Bringt sie weg!“, rief der Fürst.
„Bringt sie vorher zu mir!“
Die furchtbare kreischende Stimme kam von einem der vielen Roste hoch in der Mauer. Ein furchtsames Schweigen senkte sich auf die Menge im Hof des Palastes und Schatten erkannte, dass sie alle vor dieser Stimme Angst hatten. Das flößte auch ihm Angst ein. Er blickte auf den Fürst, und sogar er schien bestürzt.
„Ich möchte sie sehen, Remus!“, ertönte die Stimme wieder.
Schatten versuchte sie zu lokalisieren und hoch oben in der Mauer fing er ein unscharfes silbriges Bild davon auf, dass sich etwas hinter einer Reihe von Metallstäben bewegte. Was war da oben? Was für eine Sorte Tier machte solch ein Geräusch?
Er konnte sich nicht entscheiden, was schlimmer war – ertränkt zu werden oder zu dem Besitzer dieser unwirklichen Stimme gebracht zu werden.
„Bringt sie hin“, befahl Fürst Remus den Wachen knapp. Dann grinste er boshaft. „Er soll mit ihnen machen, was er will. Und dann bringt sie zurück zu mir. Falls sie dann noch leben.“
Die Wachen führten sie eine Reihe von steil ansteigenden Tunneln hinauf. Sie waren von Ratten und nicht von Menschen ausgehöhlt worden und daher schlammig und holprig. Von der Decke fielen Dreckklumpen herab. Schatten lugte in die zahlreichen Seitengänge hinein, verzweifelt um einen Fluchtplan bemüht. Er war schon erschöpft von dem langen Aufstieg, sein Atem ging stoßweise, seine Glieder schmerzten. Es war unmöglich, den Ratten davonzulaufen, nicht in diesem Schlamm.
„Hier!“, sagte der Wachoffizier und ließ sie neben einem großen Stein anhalten.
Mehrere Ratten lehnten sich mit den Schultern gegen den Stein und schoben. Langsam glitt dieser über den Dreck und enthüllte eine niedrige Öffnung in der triefenden Wand. Schatten hatte keine Lust hineinzuschauen.
Sogar die Wachen fühlten sich anscheinend unbehaglich, ihre Barthaare zuckten und sie warfen besorgte Blicke auf ihren Anführer.
„Bringt sie hinein“, befahl dieser zwei der Ratten.
„Ich möchte sie alleine sehen!“, rief die schrille unwirkliche Stimme aus dem Dunkel.
Der Anführer der Wachen nickte erleichtert und die Ratten schoben Schatten und Marina zum Eingang hin. Schatten versuchte sich in der Wand festzukrallen, aber der Dreck gab keinen Halt und er rutschte nur auf dem Bauch durch die Öffnung, Marina folgte dicht hinter ihm.
„Rollt den Stein zurück!“, befahl die Stimme.
Als der Stein schnell in seine ursprüngliche Position zurückgeschoben wurde, warf Schatten ängstlich seinen Klangblick durch den Raum. An einem Ende konnte er den Rost sehen, der sich über dem Rattenpalast befand. Und daneben lag ausgestreckt der Besitzer der Stimme. Es war eine Ratte, groß und bucklig, nicht so fett wie Fürst Remus, aber trotzdem sehr eindrucksvoll. Schatten war beinahe erleichtert. Er wusste nicht, was genau er sich vorgestellt hatte, aber es war mit Sicherheit schlimmer als dies hier.
„Ich habe lange auf eine Gelegenheit wie diese gewartet“, sagte die Ratte hungrig, erhob sich, stellte sich auf die Füße und schnüffelte ein wenig nach vorn.
Schatten wurde steif, rückte näher an Marina heran. Er spürte, wie sein Herz hämmerte und seine Muskeln sich anspannten, und er wusste, dass noch etwas Kampfgeist in ihm steckte.
„Sehr clever, was ihr da unten gemacht habt“, sagte die Ratte. „Ich dachte, ihr kommt durch damit. Auf den Verfolgungswahn des Fürsten setzen und ihm gleichzeitig schmeicheln. Sehr schön gemacht. Ich bin wirklich erstaunt, dass er dahinter gekommen ist.“
Schatten schwieg und betrachtete die Ratte. Sollte die sich plötzlich auf ihn stürzen, war er bereit zu kämpfen. Diese Ratte klang allerdings nicht wie die anderen, sie klang … das war’s … fast wie eine Fledermaus.
„Sein
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