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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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seinem Entsetzen klar, dass es das Herz von irgendjemand anderem und sehr, sehr nahe war.
    Auf allen Seiten schienen die Wände im Rhythmus der Herzschläge zu vibrieren. Es war, als ob …
    Er befand sich im Inneren eines Lebewesens.
    Mit einer furchbaren Ruhe kam ihm die Antwort:
    Du bist gefressen worden.
    Du bist im Magen eines riesigen Tieres.
    Panisches Entsetzen packte ihn und er begann gegen die lederartigen Wände anzurennen. Lass mich raus, lass mich raus! Die Wände zogen sich noch enger zusammen, drohten die letzte Luft aus ihm herauszuquetschen. Er hörte auf, keuchte und schwitzte.
    Die Wände bebten und gaben ein bisschen nach. Ein wenig frische Luft drang herein und Schatten atmete gierig. In dem bleichen Licht konnte er jetzt sehen, dass die Wände aus einer Art lederartigem Material bestanden … einem Fledermausflügel.
    Er schrie auf, als der Flügel plötzlich weggenommen wurde und Goths gewaltiger Kopf drohend über ihm schwebte.
    „Nichts gebrochen, hoffe ich.“
    „Wo ist Marina?“, schluckte Schatten.
    „Oh, die haben wir auch.“
    Sie befanden sich am Ende einer flachen Höhle. Throbb, der in der Nähe kauerte, entfaltete langsam seinen rechten Flügel, und darunter tauchte Marina auf und schnappte nach Luft. Ihr Blicke trafen sich. Mühsam kroch er unter Goths Flügel hervor. Was er sah, bereitete ihm Übelkeit.
    Früher hatte die Kannibalen-Fledermaus nur einen einzigen schwarzen Ring gehabt. Nun aber waren seine Unterarme und sogar seine Beine mit schimmernden Silberringen wie mit Girlanden bedeckt. Auch Throbb war so geschmückt, wenn auch lange nicht so überschwänglich wie sein Gefährte. Jetzt verstand Schatten das furchtbare metallische Pfeifen, das ihnen durch den Nachthimmel gefolgt war.
    „Ihr habt sie umgebracht, nicht wahr?“, krächzte Schatten.
    „Du hast uns direkt hingeführt, wenn man’s genau nimmt.“
    Schatten wandte sich zu Marina und betrachtete ihr Gesicht. Es sah aus, als ob sie sich gleich übergeben würde. All diese Fledermäuse, alles, worauf sie gehofft hatten – jetzt war es für immer verloren.
    „Keine Sorge, wir haben sie nicht alle gefressen“, sagte Goth. „Selbst ich kann nur eine begrenzte Menge Fledermaus verkraften.“
    „Du bist ein Monstrum“, zischte Marina.
    „Das haben sie auch gedacht“, sagte Goth. „Riefen dauernd nach den Menschen um Hilfe. Dachten anscheinend sogar, sie würden sich selbst in Menschen verwandeln. Ganz rührend. Du wartest doch nicht etwa immer noch auf die Menschen, oder?“, fragte er sie, um sie zu ärgern. „Ich hätte gedacht, dein letztes Zusammentreffen mit ihnen wäre Beweis genug gewesen, dass sie sich nichts aus dir machen.“
    „Ich wollte, sie hätten dich getötet“, sagte Marina.
    „Hätten sie beinahe. Ich habe den Pfeil gerade noch rechtzeitig herausgerissen.“ Er blickte Schatten an. „Ich brauche den Rest deiner Klangkarte.“
    Schatten wurde die Kehle eng. „Wozu?“
    „Ich will nach Hibernaculum und Frieda treffen und all die anderen Silberflügel.“
    „Ich habe den Rest vergessen.“
    „Du lügst.“
    „Nein. Wir haben uns verflogen.“
    Goth sah Throbb an und nickte. Throbb öffnete das Maul und schloss es vorsichtig um Marinas Kopf.
    „Sag mir, wie ich dort hinkomme, Schatten.“
    Er schaute zu Marina und sah, wie von Throbb ein Speichelfaden auf Marinas Gesicht hinunterlief. Sie zuckte voller Abscheu zurück, atmete schnell und flach. Throbbs Zähne schlossen sich ein bisschen weiter und drückten auf sie.
    „Es ist ein Fluss!“, rief Schatten. „Durch den Wald. Ein Fluss, und wir müssen ihm folgen.“
    „Wohin?“
    „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Wir kommen nicht dahinter. Das Bild ergibt keinen Sinn.“
    Goth starrte ihn hart an. „Du wirst dahinter kommen müssen, nicht wahr?“
    Er nickte.
    Goth gab Throbb mit dem Kopf ein Zeichen. „Lass sie los fürs Erste. Schatten muss nachdenken.“
    „Sie werden gegen euch kämpfen“, sagte er wild. „Es sind tausende von uns dort.“
    „Zeig mir diesen Fluss. Wir haben genug Zeit vertan.“
    Goth und Throbb flogen eng an ihrer Seite, Flügelspitze an Flügelspitze. Schatten wusste, es gab kein Entkommen. Wenn sie versuchten auszureißen, könnten die großen Fledermäuse sie in Sekundenschnelle einholen.
    Es dauerte nicht lange, bis er das sanfte Geräusch von fließendem Wasser hörte, und ihm wurde schlecht. Er richtete sein Klang-Sehen darauf, während er über die Baumwipfel hinstrich, und

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