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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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»Was hat sie heute Morgen zu dir im Büro des Pastors gesagt?«
    »Nichts.«
    Sie begann wieder zu weinen. »Er will mich nicht mehr. Er behauptet, ich sei zu streng«, schluchzte sie. Ihre Augen glänzten vor Schmerz. »
Ich
bin zu streng.«
    Ich nahm ein Handtuch von der Ablage über meinem Kopf und drückte es ihr in die Hand.
    »Ich war noch nicht einmal errettet, als ich ihn kennenlernte«, sagte sie, während sie sich das Gesicht abtrocknete. »Er wollte sich nicht mit jemand treffen, der nicht in seiner Gemeinde war. Er hat mir alles beigebracht.« Sie besah sich die Make-up-Flecken auf dem Handtuch und drückte es sich weinend ans Gesicht. Ich stand auf und befeuchtete einen Waschlappen, den ich ihr reichte. Sie unterdrückte ein Schluchzen und sah auf. »Er sagt, ich würde ihn ersticken …« Sie unterbrach sich, als sie sich mit dem kalten Lappen über das Gesicht fuhr. »Er fühlt sich mit mir nicht mehr wohl.«
    »Könnte es sein«, sagte ich, »dass er ein scheinheiliger Heuchler ist?«
    Überrascht sah sie mich an und schien einem Lachen sehr nahe zu sein. Doch dann drang die Realität zu ihr durch. Sie würde allein sein, und jeder in ihrer Umgebung würde es wissen.
    Trauer erfüllte mich. Ich stellte mir vor, wie James all die Jahre nachts am Rand des Baseballfeldes entlanggewandert war und sein Freund Diggs versucht hatte, mit ihm zu sprechen, ihn zu befreien – der Kummer über all diese verzweifelten Stunden umklammerte mich so fest, dass ich kaum atmen konnte.
    Ich wusste, dass James heute Abend nicht mit mir sprechen würde und auch morgen nicht. Ich würde seine Stimme nie wieder hören.
    »Es tut mir leid, dass ich so böse mit dir war«, schluchzte Cathy.
    Diese kindliche Formulierung riss mich aus meinen Gedanken. »Was meinst du damit?«
    »Du rebellierst«, sagte sie. »Ich war zu streng. Jetzt hasst du mich auch.«
    »Ich hasse dich nicht.«
    »Du musst nicht wie ich sein«, weinte sie. »Ich weiß nicht, was ich tue.«
    »Das weiß keiner.«
    »Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich über Gott denken soll.« Sie starrte verängstigt ins Leere. »Hat er gelogen, was Gott angeht?«
    »Mach dir keine Sorgen«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Gott liebt dich.«
    Doch während ich ihr auf die Füße half und ihr das Gesicht wusch, während ich ihr ein Beruhigungsmittel gab und sie ins Bett brachte, während ich ihr einen Tee kochte, fragte ich mich:
Ja, was ist mit Gott? Liebt Er mich? Wenn Er das tut, warum befreit Er mich dann nicht? Warum hat Er mir James gegeben und dann wieder genommen?
    Als ich Cathy den Tee brachte, weinte sie schon wieder.
    »Es ist meine Schuld«, schluchzte sie, und ich legte ihr einen Arm um die Schulter.
    »Nein, das ist es nicht«, versicherte ich ihr.
    »Was dir in der Schule passiert ist«, sagte sie, »du durftest keine Freunde haben. Und ich habe deine Fotos verbrannt.«
    »Meine Fotos?«
    »Ich habe dich von Gott weggetrieben«, gestand sie. Dann musste sie vor lauter Weinen husten und schnappte nach Luft.
    »Du hast meine Fotos verbrannt?«, fragte ich und rieb ihr den Rücken.
    Cathy nickte.
    »Nicht alle«, sagte ich. Ich drückte ihr die Teetasse in die Hand, zog die Bettdecke zurecht und ging in mein Zimmer. Als ich mit dem Umschlag zurückkam, starrte sie mich aus großen, rotgeweinten Augen an. Ich setzte mich neben sie aufs Bett und zog Jennys Kunstwerke hervor.
    »Es ist okay«, sagte ich. »Schau nur.« Ich zeigte ihr das Foto mit der Hand und dem Blatt. »Siehst du? Es heißt ›Adams Streben‹.«
    Cathy nahm das Bild mit zitternden Fingern und betrachtete es.
    »Und dieses hier …« Ich gab ihr das Foto, auf dem Jennys Gesicht als Lichtexplosion zu sehen war. »Es heißt ›Geist‹.«
    Cathys Tränen waren zu einem langsamen, heißen Strom verebbt. Sie lehnte sich an mich, um die Bilder betrachten zu können.
    »Und das hier heißt ›Engel‹.« Ich reichte ihr ein namenloses Foto von einem verschwommenen blauen Vogelflügel, zu dem ich den Titel gerade erfunden hatte.
    Cathy strich vorsichtig über den Abzug, um einen Fingerabdruck zu entfernen.
    Dann zeigte ich ihr das Bild von Jenny, auf dem sie nackt und zusammengekauert dasaß, den Kopf auf den Knien. »›Gethsemane‹.«
    Cathy ergriff meine Hand und hielt sie mit dem Rücken an ihre Brust gedrückt, genau wie James. Eine schier übermächtige Trauer erfasste mich. Ich wartete, bis sie an meiner Schulter eingeschlafen war, und zog mich dann vorsichtig zurück. Jennys Fotos lagen

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