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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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sie das Wort »Ehebruch« gehört hatte. Und ich fragte mich, wie viel Dan ihr von der Mr.-Brown-Geschichte erzählt hatte.
    »Das ist nicht wichtig«, erwiderte ich. »Aber ich habe kein Verhältnis mit ihm.«
    »Hast du nicht«, wiederholte sie. »Gibt es da jemand anderen?«
    Die Worte waren wie Gift auf ihren Lippen, und das widerliche Parfüm reizte meine Augen. »Ja«, gab ich zu.
    »Wen?« Heute war ihr Pullover schwarz mit rosa Rosen. Ob sie für jeden Tag in der Woche eine andere Blume hatte?
    »Ein Junge aus der Schule.«
    »Jennifer, hast du diesem Jungen erlaubt, dich zu berühren?« Ihr anklagender Gesichtsausdruck trieb mir die Hitze in die Wangen. Sie verschränkte ihre Ballerinaarme.
    »Nun«, sagte ich. »Sie wissen ja, wie es ist. Man verliebt sich und möchte irgendwann nicht mehr nur seine Hand halten.«
    »Aber du wusstest, dass es nicht richtig war«, erinnerte sie mich.
    »Ich bin mir sicher, dass es Ihnen genauso ging«, sagte ich. »Sie wissen, es ist eine Sünde, aber Sie wollen einfach bei ihm sein, so oft wie möglich, um jeden Preis. Sie würden alles tun, um nur eine Minute länger mit ihm zusammen sein zu können. Sie spüren seinen Körper in Ihren Armen, wenn Sie daheim allein im Bett liegen.«
    Aus Miss Ballerinas Gesicht war alle Farbe gewichen. Sie tastete nach Stift und Block.
    »Erzählen Sie mir, wie Sie gegen diese Versuchung in Ihrem Leben angekämpft haben«, sagte ich. »Ich muss das auch lernen.«
    Sie legte den Stift wieder auf die Tischplatte.
    »Andererseits hatte er keine Freundin, und wir haben nicht heimlich herumgemacht«, sagte ich. »Das wäre ja etwas anderes gewesen.«
    »Ich denke, es wäre besser, wenn sich der Pastor mit dir unterhalten würde«, erwiderte sie.
    Ich stand auf.
    Endlich sah sie mich an. »Mrs. Leighton kann einen Termin für dich vereinbaren.«
    »Wie Sie meinen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Sie müssen nicht mit hinauskommen. Ich werde es meiner Mutter ausrichten.«
    Sie sah erleichtert aus. Als ich das Zimmer verlassen hatte, ging ich nicht nach rechts zum Schreibtisch der Sekretärin, sondern nach links und durch eine Tür zum rückwärtigen Parkplatz.
     
    Ich wusste nicht, wie viel Zeit mir blieb, bis sie mir die Polizei auf den Hals hetzen würden. Da ich kein Geld für den Bus hatte, ging ich durch die Seitenstraßen, damit mich Cathy oder Dan nicht gleich fanden. Auf dem Weg zur Amelia Street rief ich mir ins Gedächtnis, was ich gestern Abend am Telefon gehört hatte. Seitdem hatte ich mir eingeredet, dass James immer noch da war – dass er nur aufgelegt hatte, weil er nicht allein war, dass er versuchte, mich zu schützen. Doch jetzt drückte die Wahrheit schwer auf meine Schultern und ließ meine Glieder matt werden wie flüssiges Metall. Ich erinnerte mich an die elende Einsamkeit nach dem Tod meiner Bewahrer, die mich allein auf der Erde zurückließen, und die quälende Frage, warum Gott mir den Himmel verwehrte. Mühsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich die beiden von weitem in der Auffahrt stehen sah, Billy und Mitch. Als sich unsere Blicke trafen, wusste ich es.
    »Gib mir einen Schraubenschlüssel«, sagte Mitch, der neben dem rostigen Gestell kauerte. Billy beobachtete mich, wie ich zwei Häuser weiter auf dem Gehsteig stand und ihn anstarrte.
    »He, wach auf«, sagte Mitch, als er auf dem Rücken unter das Auto kroch.
    Billy nahm den Schlüssel aus der Apfelkiste zu seinen Füßen und legte ihn in Mitchs Hand, die sich ihm zwischen den Reifen entgegenstreckte.
    Ich sah in das Gesicht eines Fremden, eines wunderhübschen Jungen, den ich jedoch nicht kannte. Er legte die Stirn in Falten und wischte sich mit einer schwungvollen Kopfbewegung eine Haarsträhne aus den Augen. James hätte sie mit der Hand zurückgestrichen.
    »Hey«, rief er zu mir herüber, und ich erschrak. Ich ging näher an ihn heran, um ganz sicher zu sein.
    Billy wischte sich die Hände an seinem verschmierten Totenkopf-T-Shirt ab und kam mir entgegen.
    »Erinnerst du dich an mich?«, fragte ich und versuchte, meine Stimme ruhig klingen zu lassen.
    »Klar«, erwiderte er. »Du bist auf meiner Schule.«
    »Sonst nichts?«
    Er blinzelte in die Sonne und zuckte mit den Schultern. »Du heißt Jenny irgendwas.« Panik schien ihn zu überkommen. »Bist du wegen der Verhandlung hier?«
    »Nein.«
    Er entspannte sich, doch ich fühlte mich so einsam an seiner Seite, dass sich mein Herz verkrampfte.
    »Wolltest du etwas?«, fragte er.
    »Ich

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