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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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ist.«
    »Und wo sollen wir dann hin?«, fragte ich besorgt.
    »Keine Angst«, beruhigte er mich. »Er wird nicht zu Hause sein, wenn wir zusammen sind.«
    Törichterweise war ich sogleich besänftigt. Ich malte mir aus, dass ich morgen schon wieder in James’ Bett liegen würde. Wir würden zusammen sein für eine ewige Kette von Tagen, die morgen mit dem nächsten Kuss beginnen würde.
    Im Hintergrund erklang eine Stimme, und James fragte: »Was?« Dann flüsterte er: »Ich muss auflegen.«
    »Gute Nacht«, antwortete ich, und weg war er.
     
    Als Cathy zu mir ins Zimmer kam, wurde ihr Haar von einem dicken Band zurückgehalten, die Spitzen waren noch feucht. Ohne Make-up sah sie viel jünger aus. Sie trug einen Flanellbademantel mit Pantoffeln und hielt ein Buch in der Hand. Sie legte mir
Warum Christen nur mit Christen ausgehen sollten
auf den Nachttisch und gab mir einen Kuss auf die Wange.
    Widerstrebend betrachtete ich das Werk. Für Cathy war es wahrscheinlich eine gehütete Weisheit, die von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurde. Bestimmt hatte sie Jenny auch gezeigt, wie man das Hemd eines Mannes bügelte oder eine Gefriertruhe abtaute. Ich fragte mich, ob Mitch seinem Bruder wohl auch beigebracht hatte, wie man ein Mann wird. Hatte er ihn mit zur Arbeit genommen oder ihm gezeigt, wie man sich rasierte? Vielleicht waren solche
rites de passage
aber auch längst ausgestorben. Ich versuchte, mich an meine eigenen Lektionen zu erinnern – hatte ich mit dem Waschbrett gekämpft oder mich siegreich gefühlt, nachdem ich ein Huhn gerupft hatte? Ich wusste es nicht.
    In der Tür hielt Cathy inne. »Verstehst du, warum wir nicht wollen, dass du in der Schule mit fremden Jungen redest?«
    »Ihr beschützt mich.«
    »Wir wollen, dass du den richtigen wählst und eine gute christliche Ehe führst.«
    »Natürlich.«
    »Dein Vater und ich mögen manchmal unsere Unstimmigkeiten haben.« Sie zog den Gürtel ihres Bademantels fester. »Aber es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.« Tränen traten ihr in die Augen. »Ich habe so viel. Andere Frauen werden von ihren Männern geschlagen, sie haben kein Zuhause, können ihre Kinder nicht ernähren.« Sie nickte bestätigend. »Ich bin gesegnet.«
    Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. »Das stimmt.«
    Sie seufzte. »Sprich deine Gebete.« Dann schloss sie die Tür hinter sich.
    Ich konnte nicht schlafen und las bis 1 : 37 Uhr
Jane Eyre.
Als ich das Garagentor hörte, schaltete ich meine Lampe aus und legte das Buch beiseite. Der Boden in der Diele knarrte, und ich sah, wie meine Türklinke langsam heruntergedrückt wurde. Ich schloss die Augen und hielt mich ganz still. Einen Moment später hörte ich, wie die Tür sanft ins Schloss gezogen wurde. Und da roch ich ihn wieder. Den leisen Hauch, von dem ich dachte, ich hätte ihn mir auf Dans Hemd nur eingebildet.

[home]
    Kapitel 13
    A ls Cathy mich in die Gebetsecke rief, wachte Dan bereits über die drei Stühle. Wir setzten uns, die Heilige Schrift auf dem Schoß. Ich blätterte durch Jennys Mitschriften. Satzfetzen flogen an meinen Augen vorbei: »Die Pläne des Bösen sind dem Herrn ein Greuel« – »Weil du das Wort des Herrn verworfen hast« – »alle Ungehorsamen zu strafen«.
    Plötzlich fiel mir ein, warum mir der sechste. Juli, das Datum aus Jennys Zeugnismappe, so bekannt vorgekommen war: Das Tagebuch in meinen Händen begann am siebten Juli, einen Tag nachdem Jenny ein nicht hundertprozentig perfektes Zeugnis nach Hause gebracht hatte. Jemand hatte alle bisher beschriebenen Seiten herausgerissen, und am nächsten Morgen hatte sie in der Gebetsecke gesessen und säuberlich die Worte »Ehre deinen Vater und deine Mutter« notiert.
    »Ist da etwas, was du uns mitteilen willst?«, fragte Dan.
    »Was zum Beispiel?«
    »Gib Gott die Wahrheit im Gebet«, warnte er mich. »Er wird dir sagen, was zu tun ist.«
    Während meiner stillen Andacht ragte Dan drohend über mir auf, eine bleierne Hand auf meinem Kopf. Ich unterdrückte den Impuls, sie abzuschütteln. Noch furchteinflößender war die feuchte Hitze, die Cathys Hand auf meinem Rücken verströmte.
    »Herr, wir rufen Dich an.« Dans Stimme dröhnte über mir wie eine Totenglocke. »Komm in Jennifer Anns Herz und läutere sie. Gib ihr göttliche Standhaftigkeit im Angesicht der Versuchung. Wende ihre Gedanken von der Sünde ab. Säubere sie von allen unreinen Begierden. Du hast uns mit diesem Kind gesegnet, doch es ist

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