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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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etwas hindern sollte. Nach dem Tod dieser beiden Körper konnten wir schließlich wieder zwei junge, verlassene Menschen finden. Oder?
    Als der Bus kam, warf James einige Münzen in den Automatenschlitz neben dem Fahrer. Wir gingen durch den engen Mittelgang und achteten darauf, niemanden mit unseren Büchertaschen anzustoßen. Als wir uns auf zwei leeren Sitzen am Ende des Busses niederließen, fühlte ich mich wie auf unserer Hochzeitsreise. Oder auf der Flucht in einer Postkutsche. Ich wollte James küssen, doch direkt hinter uns saßen zwei Nonnen. Er drückte sich so nah an mich, dass eine der Ordensfrauen leicht neben uns Platz gefunden hätte.
    »Bist du sicher, dass bei dir zu Hause niemand ist?«, fragte ich flüsternd.
    James lächelte, zögerte jedoch einen Moment. »Mitchs letzte Freundin hat ihn nicht verlassen.«
    Der plötzliche Themenwechsel machte mich sprachlos.
    »Er hat die Beziehung beendet, weil er sie erwischt hat, wie sie Billy Drogen gegeben hat. Sein Freund Benny hat mir das erzählt.«
    »Mitch liebt dich«, sagte ich. Die Schatten der Strommasten und Leitungen, unter denen wir hindurchfuhren, zuckten über sein Gesicht wie ein Stummfilm.
    »Letzten Abend hat er mir erzählt, wie er und Billy einmal zusammen versucht haben, eine Maus aus der Garage zu vertreiben; Billy war da dreizehn und hat seine Monstermaske aufgesetzt, um die Maus zu erschrecken. Mitch hat so sehr gelacht, als er mir das erzählt hat, dass er kaum noch Luft bekam«, sagte James. »Er hat von vielen Sachen gesprochen, an die ich mich natürlich nicht erinnern kann. Dumme Sachen.«
    Es freute mich zu hören, dass Mitch und James sich verstanden. Das Licht zuckte immer noch über ihn hinweg und zauberte Muster auf sein Gesicht wie in einem Kaleidoskop. Ich erkannte meinen James und den James von früher, die sich beide hinter Billys Augen verbargen.
    »Er vermisst seinen Bruder«, sagte er.
    Aus irgendeinem Grund wurde meine Haut eiskalt. »Er liebt dich, das sieht man sofort.«
    »Er liebt Billy.«
    Ich fragte mich, ob jemand Jenny aus tiefstem Herzen vermisste.
    »Du hast Billy nicht vertrieben.« Ich hörte die Furcht in meiner Stimme. »Er ist geflüchtet, noch bevor du jemals seinen Körper berührt hast.«
    Die Nonnen starrten zu uns nach vorne. Die Art, wie James die Hand hob und dabei vergaß, dass er keinen Hut aufhatte, an dessen Rand er hätte tippen können, erwärmte mein Herz und weckte mein Verlangen, ihn zu küssen.
     
    Auch wenn Mitchs und Libbys Autos nicht zu sehen waren, öffnete James die Haustür mit äußerster Vorsicht. »Hallo?«, rief er in die Stille. Es schien, als wären wir allein.
     
    Mit einem Fußtritt schlug James die Schlafzimmertür hinter uns ins Schloss.
    »Wir haben stundenlang Zeit«, sagte ich lachend zwischen zwei Küssen. Und in Gedanken fügte ich hinzu: Uns bleibt die Ewigkeit.
    »Es tut mir leid.« Er sah mich an. Mit seinen geröteten Wangen und dem halboffenen Hemd sah er atemberaubend aus. »Nein, tut es nicht«, sagte er und küsste mich wieder. Obwohl wir alle Zeit der Welt hatten, liebten wir uns immer noch wie in einer hastig gestohlenen Stunde.
    Verschwitzt lagen wir nebeneinander. James blickte auf das Zeitschriftenfoto eines Sportwagens an der Wand. Die Fensterscheibe spiegelte sich in seinen Augen wie der Mond.
    »Ich glaube, ich habe damals für eine Zeitung gearbeitet.«
    »Ich will keine dreizehn Monate warten«, sagte ich.
    Er drehte sein Gesicht in meine Richtung und legte sein Bein über meines. »Billy kennt sicher jemanden, der uns gefälschte Ausweise besorgen könnte.«
    Mir gefiel die Idee, doch ich sah einen Schatten über James’ Lächeln huschen. Ich wusste, was es war, auch wenn er es zu verbergen versuchte. Er stellte sich vor, wie wir zusammen davonliefen, aber auch, wie Mitch herausfand, dass Billy ihn verlassen hatte. Der Neid zerfraß mich. Wenn ich Cathy und Dan doch auch so lieben könnte.
    Das Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück, und er schwang sich auf mich. Plötzlich erinnerte ich mich an die Kamera. »Kommst du an meine Tasche?«, fragte ich.
    Er schob mich unter sich zurecht, bereit, mich von neuem auszufüllen. »Warum?«
    Ich lachte und wand mich aus seinen Armen, um die Kamera aus meiner Tasche zu holen, die ich achtlos zwischen unsere Kleider geworfen hatte. Ich schaltete sie ein und richtete die Linse auf ihn.
    Rasch zog er die Bettdecke über seinen Schoß. »Miss Helen, ich bin schockiert.«
    »Bitte lächeln!«
    »Nein. Komm

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