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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Wort ging ich zu meinem Eingang. Susan entfernte sich ein paar Schritte und blieb stehen, wo ich sie gut im Auge behalten konnte. Erst dann stieg ich die Treppe hinunter und schloss die Stahltür auf. Mit einer Willensanstrengung deaktivierte ich vorübergehend die Schutzsprüche, die als magisches Gegenstück einer Tretmine und einer Alarmanlage meine Bleibe sicherten.
    Als ich drinnen stand, warf ich einen raschen Blick zum Kerzenhalter, der neben der Tür an der Wand befestigt war, und murmelte: »Flickum bicus.« Nach einem kleinen Energiestoß erwachte eine tanzende Flamme zum Leben und tauchte meine Wohnung in weiches, orangefarbenes Zwielicht.
    Im Grunde war meine Wohnung nur eine Höhle mit zwei Räumen. Der größere war das Wohnzimmer. Dort standen viele Bücherregale, außerdem hatte ich ein paar Wandteppiche und ein altes Star-Wars- Posteraufgehängt. Der Boden war mit verschiedenen Läufern bedeckt. Neben handgewirkten Navajo-Teppichen gab es auch ein sechzig Zentimeter breites schwarzes Ding mit dem Gesicht von Elvis mitten darauf. Wie den Käfer würden manche Leute meine bunte Sammlung von Bodenbelägen vermutlich als eklektisch bezeichnen. Für mich waren es einfach schützende Schichten, die mir den Kontakt mit dem eiskalten Steinboden ersparten.
    Meine Möbel waren nicht anders. Die meisten hatte ich gebraucht bekommen. Sie passten nicht zusammen, doch alle waren gemütlich und luden zum Herumfläzen ein, und die Beleuchtung war schwach genug, um die Stilbrüche zu vertuschen. Eine Nische beherbergte ein Waschbecken, einen Eiskasten und eine kleine Kochecke. In eine Wand war ein Kamin eingelassen, das Holz war längst zu grauer und schwarzer Asche verbrannt, unter der sicher noch ein kleiner Funke glomm. Hinter einer Tür lagen mein winziges Schlafzimmer und das kleine Bad. Meine Wohnung war nicht gerade der letzte Schrei in Sachen Stil und Eleganz, aber sehr ordentlich und sauber.
    Schließlich drehte ich mich wieder zu Susan um, ohne den Sprengstock wegzulegen. Übernatürliche Wesen können nicht einfach die Schwelle eines Heims überschreiten, solange sie kein rechtmäßiger Bewohner einlädt. Viele hässliche Wesen können sich allerdings ein falsches Gesicht zulegen, und es war nicht völlig ausgeschlossen, dass eines von ihnen versuchen könnte, sich in Susans Gestalt bei mir einzuschleichen.
    Ein übernatürliches Wesen wäre jedoch kaum fähig gewesen, ungebeten über die Schwelle zu treten. Wenn die Frau vor meiner Tür nicht Susan war, sondern ein Gestaltwandler, oder wenn Susan – Gott behüte – inzwischen völlig zur Vampirin geworden war, dann konnte sie nicht eintreten. Falls sie dagegen die echte Susan war, dann war alles in Ordnung, und die Schwelle würde ihr nicht schaden. Das paranoide Misstrauen ihres Exfreundes konnte allerdings ganz andere Schäden anrichten.
    Andererseits war Krieg, und Susan würde sicher nicht wollen, dass ich dabei umkam. Lieber vorsichtig als blutleer.
    Susan zögerte nicht an der Tür. Sie trat ein, drehte sich um, verschloss und versperrte sie und fragte: »Zufrieden?«
    Ja, das war ich. Zusammen mit der Erleichterung erwachte ein wahrer Sturm von Gefühlen. Es war, als wäre ich nach Tagen der Qual zu mir gekommen und hätte festgestellt, dass die Schmerzen fort waren. Wo es weh getan hatte, war auf einmal nichts mehr, und nun war Platz für andere Gefühle, die schlagartig den Freiraum besetzten. Ich war beispielsweise äußerst aufgeregt – die zitternde Nervosität eines Jugendlichen voller Erwartungen. Warme Gefühle, Freude und Glück und eine kindliche Ausgelassenheit.
    In den Schatten dahinter lauerten andere, nicht weniger starke Emotionen. Reine, sinnliche Freude, als ich ihren Duft wahrnahm und ihr Gesicht sah, das dunkle Haar. Ich wollte sie berühren und spüren, wie sie sich an mich schmiegte.
    Es war mehr als nur ein Bedürfnis, es war reine Begierde. Jetzt, da sie leibhaftig vor mir stand, wollte ich sie ganz und gar, wie ich Essen oder Wasser oder die Luft zum Atmen brauchte, vielleicht sogar noch dringender. Ich wollte ihr sagen, wie viel es mir bedeutete, dass sie da war. Allerdings bin ich nicht sehr gut darin, meine Gefühle mit Worten auszudrücken.
    Als Susan sich wieder umdrehte, stand ich schon dicht hinter ihr. Sie keuchte leise und überrascht, doch ich beugte mich sanft über sie und drückte sie von innen gegen die Tür.
    Ihre Lippen waren weich, süß, fiebrig heiß. Erst zuckte sie zusammen, dann gab sie einen leisen

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